Die Erlösung der Frauen (German Edition)
ersten Moment ein leichtes Kribbeln an seinem Schwanz verspürte. Die Ahnung, wie lange sie für ein so beschissenes Outfit vor dem Spiegel gestanden haben muss, begeisterte ihn. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen. Nach einer kurzen Bussi-Bussi-Begrüßung und dem obligatorischen Kompliment fürs schöne Zurechtmachen, fuhren sie mit dem Aufzug nach oben und nahmen auf der Terrasse Platz. Alexia verbrachte Ewigkeiten damit, die Getränkekarte zu studieren, nur um sich schließlich für einen Vodka Lemon zu entscheiden. Dann endlich waren alle organisatorischen Feinheiten geklärt und man machte sich an die Konversation.
Das hat mich übrigens total gefreut, dass du angerufen hast. Ich hab letzte Woche erst dran gedacht, dass ich unbedingt mal in die Oper gehen will.
So ein Zufall.
Ich finde auch super, dass es Wagner ist. So was richtig Deutsches.
Das kannst du laut sagen.
Ich hab mir das vorhin im Internet noch mal durchgelesen. Mit den ganzen Göttern und so, dass ist ja eigentlich genau das gleiche wie bei den alten Griechen.
Woher kommst du noch mal? Thessaloniki?
Meine Eltern, ja. Aber wir sind schon nach Deutschland, wo ich acht war.
Und jetzt studierst du Film?
Dokumentarfilm.
Das kann man studieren?
Natürlich. Man kann alles studieren.
Wusste ich nicht.
Ist ja auch kein richtiges Studium. Wir machen halt Filme.
Was denn für Filme?
Über alles Mögliche. Ich hab zum Beispiel was gemacht über meine Großeltern in Griechenland. Die wohnen in einem Bergdorf, wo fast gar keine Zivilisation ist.
Was machen die denn da?
Ziegen melken und so. Und dann Käse.
Und das ist alles in dem Film?
Ja, aber da geht’s mehr darum, wie hart so ein Leben ist. Und dass die jungen Leute alle in die Städte ziehen und die ganze Kultur ausstirbt.
Ist das schlimm?
Finde ich schon. Weil das ist halt noch so richtig ursprünglich da. Die leben noch so richtig im Einklang mit der Natur.
Mhm.
Ihr war vermutlich nicht bewusst, was ein solch pseudoromantisches Geschnatter auszulösen vermochte. Donald betrachtete ihre mit dunklen Härchen überzogenen Unterarme und stellte sich vor, wie sie zwischen zwei Olivenbäumen auf einem Holzschemel saß und eine Ziege melkte, nur mit einem schlüpfrigen, vollgeschwitzten Leinentuch bekleidet, in der sengenden Hitze der griechischen Gebirgswelt, fernab jeglicher Zivilisation. Schwer vorstellbar, dass da irgendjemand beschließt, in die Stadt zu ziehen.
Wie ist das bei dir? Bist du aus München?
Natürlich.
Schon immer hier?
Schon immer.
Und du wolltest nie mal weg?
Wohin denn?
Na, irgendwo anders hin. Die Welt kennen lernen.
Ich hab öfter mal darüber nachgedacht auszuwandern. Aber mir ist nie eingefallen, wohin. Weil immer wenn ich im Urlaub war, fand ich’s eigentlich scheiße.
Echt?
Mhm.
Wo warst du denn so?
Ich war mal in Paris, das war furchtbar. Überall Cafés.
Ist halt ne große Stadt. Vielleicht solltest du lieber mal Urlaub auf’m Land machen. Zum Beispiel bei uns in Makedonien. Kannst ja mal den Film anschauen. Vielleicht gefällt’s dir da.
Wann fliegst du denn wieder hin?
Weiß noch nicht, vielleicht im Winter.
Ruf mich an.
Die Kellnerin brachte die Getränke. Hinter den Dächern und Kirchtürmen der jährlich frisch sanierten Innenstadt ging die Sonne unter und Alexia setzte ihre Brille auf. Sie erhob ihr Glas und prostete Donald zu, eine Geste, die bei Frauen ganz eindeutig auf einen Mangel an Esprit schließen lässt. Er erwiderte ebenso, mit einem freundlichen Nicken begleitet, von dem er hoffte, dass es seine wahren Gedanken verschleiern würde. Dann nutzte er den Moment, um sich auf der Terrasse umzusehen. Am Nebentisch saß ein Paar im etwa gleichen Alter, die offensichtlich den Tag im anliegenden Spa-Bereich verbracht hatten, da sie immer noch ihre Bademäntel trugen. Die getönten Sonnenbrillen waren bei beiden recht adrett auf den Nasen platziert und die Frisuren saßen wie eine Eins. Auf dem Tisch vor ihnen standen zwei Gingko-Drinks oder sowas ähnliches, einer in blau, der andere in grün. Die Frau beugte sich immer wieder nach vorne und zog an ihrem Strohhalm. Sie hatte ein kleines Gesichtchen mit spitzer Nase und strahlte jene Form spießbürgerlicher Arroganz aus, wie man sie häufig bei Frauen findet, die aus wohlhabendem Hause kommen und nun selbst in der Wirtschaft tätig sind. Überdies wirkte sie aber recht verhärmt und freudlos, ein Eindruck, der sich natürlich dadurch noch verschärfte, dass die beiden
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