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Die Ernaehrungsfalle

Titel: Die Ernaehrungsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Grimm
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Imitate sind weitverbreitet. so fanden Kontrolleure 2009 im Großraum Stuttgart heraus, dass bei Imbissläden und Lieferdiensten jeder dritte Schinken gefälscht war.
    Viele der Erfindungen stammen aus entbehrungsreichen Zeiten: Roggenbrot ohne Roggen beispielsweise oder die blutgefärbte Ersatzwurst aus → Soja , die sich der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer patentieren ließ. Er hatte die Pseudo-Produkte in der Zeit des Ersten Weltkriegs erfunden, um kriegsbedingte Hungersnöte zu lindern. Schon die DDR hatte auf diesem Gebiet Weltniveau: Das Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung in Rostock etwa erfand ein »Verfahren zur Herstellung körniger Proteinformgebilde« - Kunst-Kaviar aus Schlachtblutplasma. Der Leipziger Lebensmittelchemiker Klaus Valdeig avancierte mit ähnlichen Innovationen gar zu einer Stütze der DDR-Wirtschaft. Sein schönstes Kunststück gelang ihm mit Konfekt: Er ersetzte die übliche Pralinenfüllung durch eine Masse aus
zähflüssig gekochten Erbsen, → Zucker und → Aromaten . Die Zusammensetzung galt als Geheimsache, auf dem → Etikett erschienen nur analytische Daten, → Fett , → Kohlenhydrate , → Kalorien . Ob das »kakaoähnliche Produkt« aus roten Rüben hergestellt war (Patent-Nummer DD 226 763 A1) oder aus gezuckerten Getreidekeimen (Patent Nummer DD 245 355 A1), ob gar Viehfutter oder Fischmehl beigemengt war, das konnten die Bewohner des Arbeiter- und Bauern-Staates nur erahnen.
    Die Verwendung von gefälschten Nahrungsmitteln ist indessen nicht immer Ausdruck nackter Not oder der verzweifelten Suche nach Einsparpotenzialen im Produktionsprozess. Bisweilen müssen die Techniker ihre Rohstoffe optimieren, weil die fragilen Naturerzeugnisse die Produktionsbedingungen in der Fabrik nicht aushalten. Der → Unilever-Konzern etwa hat ein Verfahren erfunden, mit dem laut Patentschrift Nummer DE 216271 C2 »die Absicht verfolgt wird, natürliche Früchte vorzutäuschen«. Dazu wird »Fruchtmaterial«, etwa »Himbeerabfälle« oder ausgepresste Reste von Beeren, mit einem Gelee aus Algenextrakt, Geschmacks- und → Farbstoffen zu einem bissfesten Etwas konstruiert. Diesen »simulierten → Früchten « (Patentschrift) kann weder die Backhitze noch das »Eindosen« etwas anhaben. Unilever versichert, das Patent niemals ausgenutzt zu haben.
    Großen Erfolg hat hingegen die Firma Ocean Spray, ein amerikanischer Zulieferer. Ihre Ingenieure haben die Früchte ebenfalls technologisch optimiert: Ein Prospekt der Firma zeigt prall und glänzend eine Kirsche, eine Himbeere, eine Erdbeere, eine Heidelbeere. »Unsere Fruchtstückchen mit natürlichem Fruchtaroma schmecken so gut wie erwartet«, verkündet der Prospekt: »Sie sind nur etwas vielseitiger.« Denn: »Sie haben die Farbe der Früchte, das Aussehen der Früchte, und sie schmecken wie die richtigen Früchte. Aber sie sind viel stabiler und belastbarer als die richtigen Früchte.« Das liegt daran, dass es sich um ganz andere Früchte handelt: Cranberries, eine Art Preiselbeeren. Die sind robuster. Dank einem »patentierten Verfahren« werden diese Beeren mithilfe von »natürlichen Fruchtaromen« so umgeschult, dass sie später, etwa in Backwaren, als Erdbeeren, Kirschen,
ja sogar als Pfirsich und Orange auftreten können: »Selbst Produkte, die bei der Herstellung rigorosen Verarbeitungsbedingungen ausgesetzt sind«, könnten Geschmack und Anmutung »von natürlichen Pfirsichen und Orangen behalten, damit den Verbrauchern das Wasser im Munde zusammenläuft«.
    Von solchen Imitaten sind die Konsumenten nicht immer nur begeistert. Der Fleischersatz → Quorn etwa hatte in Deutschland nur ein ganz kurzes, unerfreuliches Dasein. Er wurde in einigen bayrischen Testmärkten eingeführt und dann wieder abgezogen. Denn Medien hatten Unschönes über das Produkt berichtet: Das Erzeugnis, von einem englischen Chemie-Multi entwickelt, wurde aus Schimmelpilz-Kulturen gewonnen. Die Briten störten sich weniger an dem Schimmelpilz-Image; britische Schulkinder hielten Quorn nach Presseberichten »für Putengeschnetzeltes«. Auch die Schweizer nehmen es an, beim Migros-Konzern etwa unter dem Namen »Cornatur«.
    Dank industriellen Aromen sind den Imitationen kaum Grenzen gesetzt. Die Hersteller der Geschmacksstoffe werben sogar damit: »Käseimitate gewinnen in vielen Märkten an Bedeutung«, so weiß ein Aroma-Prospekt: »Ihnen den typischen und ausgereiften Geschmack eines natürlichen Käses zu geben, ist mit diesen Aromen

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