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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Hülle hatten sie abgelegt, sodass sie rein werden konnten.
    Don Oscar hatte jeglichen Sinn für Zeit verloren, aber er dachte, dass es alles eine neue Wissenschaft war, eine Wissenschaft mit neuen Naturgesetzen. Er bereute das menschliche Bestreben nach Leben, den ewigen Kampf des Fleisches. Er war erfüllt von einem Hass gegen sich selbst, weil er jahrelang seine ihm eigenen Ressourcen verschwendet hatte, aus Geiz, Habgier und purem Egoismus. Aber auf der anderen Seite hatte sein zielloses Wandern einen Sinn gehabt, weil es ihn letztendlich zu diesem perfekten Tag geführt hatte.
    War es erst einen Tag her, seit er verwandelt und geheilt worden war? Spielten Tage überhaupt noch eine Rolle? Jetzt zählte nur noch die Ewigkeit, eine glückliche Knechtschaft, die wie die goldenen Strahlen der Sonne in der ganzen Galaxie den Weg in die Ewigkeit beleuchteten.
    Er räkelte sich zwischen den Forsythien und lehnte sich gegen ihre dünnen Zweige. Aus seinen Wunden und Kratzern tropfte eine graue Flüssigkeit und er absorbierte Kohlenstoff-Dioxid während er starb und millionenfach wiedergeboren wurde.
    Während er aufquoll und seine Umgebung in sich aufnahm, als er voll grünlicher Freude anschwoll, wurde er von dem unbändigen Wunsch überkommen, seine Verzückung mit anderen zu teilen. Er würde seinen Nachbarn einen Besuch abstatten.
     

 
    SECHSTES KAPITEL
     
    Tamara hob ihren Blick und schaute im Hörsaal auf ein Meer von jungen Gesichtern und auf ein paar Köpfe, von denen sie nur den Haaransatz sah, weil sie auf den Tischen lagen. Sie hasste diese Massenveranstaltungen. Aber was hatte sie erwartet?
    Das war eben nur die Einstiegsvorlesung für Psychologie. Die Vorlesung war so konzipiert, dass sogar ein Student, der eigentlich nur mit einem Sportstipendium hier gelandet war, ein solides "Befriedigend" schaffen und sich seine Energien für den nächsten Wettkampf sparen konnte. Es genügte schon zu wissen, dass Jung nicht mit "Y" geschrieben wurde und du warst praktisch schon positiv.
    Klar, wahrscheinlich waren unter den achtzig Studenten fünf, die sich tatsächlich anstrengten und die das geforderte Material lesen würden. Vielleicht würden sie auch eine vierseitige Seminararbeit abgeben, wenn das geforderte Minimum drei Seiten betragen würde.
    Von diesen fünf würden vielleicht zwei weiterstudieren und eventuell sogar Psychologen werden.
    Aber sie wusste, dass der Unterschied zwischen einem Hobby-Psychologen und einem diplomierten nur ein feiner war. Dieser Unterschied war so fein und schwer auszumachen wie der Unterschied zwischen Genie und Wahnsinn. Um zu unterrichten oder offiziell für verrückt erklärt zu werden, für beides musste man eine amtliche Bestätigung haben.
    Aber das war ja ein Teil der Herausforderung. Zu unterrichten ohne verrückt zu werden.
    Mit einer Hand warf sie ihr Haar in den Nacken und mit der anderen griff sie so energisch nach ihrem Katheder, als wäre es ein Tanzpartner. Sie atmete tief ein, um ihrer Stimme genug Kraft für den großen Hörsaal zu verleihen.
    »Wie funktioniert unser Verstand? Und warum funktioniert er so und nicht anders?«, sagte sie laut und deutlich, aber ohne zu schreien. »Sind es wirklich nur eine Milliarde Nervenzellen, die eine chemische und elektronische Reaktion miteinander eingehen? Sind unsere Gedanken und Reaktionen nur wissenschaftliche Vorgänge, die wir nicht weiter kontrollieren können?
    Wenn das so wäre, was unterscheidet dann die Emotionen einer Person von denen einer anderen? Soziale Einflüsse oder andere, die von außen kommen? Und wann wird das Emotionale und Subjektive zu einer rationalen, messbaren Hirnaktivität?«
    Sie merkte, wie die Aufmerksamkeit ihrer Studenten langsam wegdriftete. Sie merkte, dass sogar ihre eigene Aufmerksamkeit nachließ. Zeit für eine kleine Unterbrechung. »Und was hat das mit uns zu tun und warum sollte uns das interessieren?«
    Ein leises Kichern lief durch den Raum. Aus den Tiefen des Hörsaals war eine laute Stimme zu hören: »Wer sagt denn, dass uns das interessiert?«
    Die ganze Klasse explodierte vor Lachen. Das war gar nicht schlecht. Zumindest waren sie jetzt wach. Sie blickte in die Richtung, aus der die Bemerkung gekommen war, und sah einen jungen Mann mit Igelfrisur und einer breiten Augenbraue über seinen Augen, der selbstzufrieden grinste.
    »Also, Herr…«, sagte Tamara und blickte in seine kleinen Augen.
    »Watkins.«
    »Also Herr Watkins, da Sie ja bereits alles über sich zu wissen

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