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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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bewegte, las Gladys klar und deutlich in seinen Augen. »Ja, ich weiß«, flüsterte sie und ergriff seine Hand. »Deshalb habe ich das Château nie verkauft.« Ihr Haus in der Stadt war schön und komfortabel, strahlte aber nicht den Charme und die anmutige Eleganz des Schlösschens aus. Unter diesem Dach lebte die Herzenswärme und Schönheit der wundervollen Frau weiter, die einmal hier gewohnt und in allen Räumen unauslöschliche Spuren hinterlassen hatte. Und François' Liebe zu ihr hüllte alles in magisches Licht.
    Charlies nächste Worte überraschten Gladys nicht sonderlich. War dies der Grund, warum sie ihn hierher geführt hatte? »Würden Sie mir das Haus vermieten?« Flehend schaute er sie an. Nur hier wollte er leben. Noch nie hatte er sich etwas so inständig gewünscht. Er glaubte, Häuser würden Seelen besitzen und bestimmte Schicksale erfahren. Nun schien das schöne Château ihn zu umarmen. So etwas hatte er in keinem anderen Gebäude empfunden, nicht einmal in seinem geliebten Londoner Heim. Hier hatte er, aus unerfindlichen Gründen, sofort eine tiefe Verbundenheit gespürt. Als würde er die Menschen kennen, die in diesen Räumen gewohnt hatten. »Was ich hier fühle, ist so stark - so intensiv«, versuchte er zu erklären.
    Nachdenklich musterte sie ihn. Sie hatte nie erwogen, das Haus zu vermieten. Vor fast fünfzig Jahren hatte sie eine Zeit lang mit ihrem Mann hier gelebt und später Jimmy mit seiner Familie für ein paar Sommerwochen. Davon abgesehen war das Château seit Sarah Fergusons Tod unbewohnt. Gladys' Vorfahren hatten es einfach nur besessen, ein kurioses Investment, und überlegt, ob sie es in ein Museum verwandeln sollten. Dazu hatte sich keiner aufgerafft, und Gladys begnügte sich damit, das Schlösschen in Stand zu halten.
    »Ich weiß, es klingt verrückt«, fügte Charlie hinzu. »Aber ich glaube, wegen dieses Hauses bin ich in Sherburne Falls gelandet. Und deshalb sind wir uns begegnet - weil es eine höhere Macht so wollte. Endlich bin ich heimgekehrt.« Er wusste, dass sie ihn verstand, und sie nickte. Sicher hatten sich ihre Wege nicht zufällig gekreuzt. Beide hatten sehr viel verloren, beide fühlten sich einsam. Und nun waren sie vom Schicksal zusammengeführt worden, um einander zu beschenken. Während sie durch den Salon schlenderten, spürten sie die Wirkung jener Macht, ohne sie vollends zu verstehen. Charlie war aus London und New York hierher gekommen, und Gladys hatte auf ihn gewartet. Gewissermaßen war seine Gesellschaft ihr Weihnachtsgeschenk. Nun wollte sie ihm auch etwas geben, das ihn veranlassen würde, möglichst lange in ihrer Nähe zu bleiben. Ein paar Monate -ein Jahr - vielleicht länger. Zweifellos würde er das Haus hegen und pflegen. Er hatte es bereits lieb gewonnen. Das sah sie ihm an. »Also gut«, wisperte sie, und ihr Herz schlug schneller.
    Wortlos ging er zu ihr, umarmte sie und küsste ihre Wange. »Danke - vielen Dank …« Die Augen voller Tränen, schaute sie zu ihm auf und sah ihn strahlend lächeln. »Keine Bange, Gladys, ich werde Ihr Vertrauen nicht enttäuschen und das Haus sorgsam hüten …« Fast sprachlos vor Glück standen sie an einem Fenster des eleganten Salons und beobachteten die Schneeflocken, die lautlos ins Tal hinabfielen.

4
    Am nächsten Tag besuchte Charlie mehrere Geschäfte in Shelburne Falls, um einzukaufen. Mrs. Palmer wollte ihm ein antikes Bett überlassen, das im Speicher über ihrer Garage stand, eine Kommode, einen Schreibtisch, ein paar Stühle und einen alten, zerkratzten Esstisch. Mehr würde er nicht brauchen, versicherte Charlie. Er hatte das Haus für ein Jahr gemietet. Auf jeden Fall würde er die nächsten sechs Monate in Shelburne Falls verbringen. Wenn er danach zu Whittaker & Jones zurückkehrte, konnte er von New York aus an den Wochenenden hierher fahren. Und wenn er beschloss, nach London zurückzukehren, würde Mrs. Palmer nicht auf die Vereinbarung pochen. Aber sie würde ihn gern für länger als ein Jahr in ihrer Nähe wissen. Das wusste er.
    Nach dem Besuch im Château hatte er sie zum Dinner ausgeführt, um das Arrangement zu feiern. Drei Tage vor Weihnachten fuhr er nach Deerfield, um die letzten Besorgungen zu machen. Dabei kaufte er in einem kleinen Juweliergeschäft hübsche Perlenohrringe für Mrs. Palmer. Am 23. Dezember zog er in das Schlösschen.
    Wenn er an einem Fenster stand und die Aussicht bewunderte, konnte er sein Glück kaum fassen. Noch nie hatte er in einer so

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