Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman
erfahren, wie es mal war, wie wir mal waren. Außerdem habe ich die beiden gern. Ich dachte, sie tun dir vielleicht gut. Die Welt bleibt nicht so, wie du sie gern hättest, Liebes.«
Lindsey machte einen Schritt auf ihre Mutter zu. »Jetzt verstehe ich, warum du zu Hause arbeitest«, sagte sie. »Damit keiner erfährt, was los ist. Weiß niemand etwas davon?«
»Nur Roy«, sagte Hollis. »Und du darfst es auch keinem sagen. Wir können noch mindestens fünf Jahre so weitermachen, und genau das tun wir auch. Und in der Zwischenzeit setze ich Himmel und Erde in Bewegung, um neue Wege zu finden, wie wir Geld machen können.«
Lindsey umarmte ihre Mutter und drückte das Gesicht an ihre Brust. »Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Mom«, sagte sie.
»Ja und nein«, antwortete Hollis und streichelte Lindsey über das Haar. »Ja und nein. Aber es ist nicht dein Kampf, sondern meiner. Es tut mir so leid, meine Süße. Ich weiß, dass ich mehr arbeite, als eine Mutter arbeiten sollte.«
Hollis’ Geheimnis war, im Gegensatz zu DACs Betrug, ein Geheimnis, das man wahren sollte, dachte Colin. Die Leute von Gutshot brauchten nicht zu wissen, dass drei Viertel ihrer Tamponschnüre in einer Grube verscharrt wurden oder dass ihr Gehaltsscheck weniger mit den Profiten der Firma als mit der Großzügigkeit ihrer Chefin zu tun hatte.
Am Ende fuhr Lindsey mit Hollis nach Hause, und Colin und Hassan saßen allein im Leichenwagen. Fünf Kilometer hinter Memphis sagte Hassan: »Ich … also, ich hatte eine überwältigende spirituelle Erleuchtung.«
Colin sah Hassan an. »Was?«
»Pass auf die Straße auf, Kafir. Na ja, eigentlich war es schon vor ein paar Tagen, also vielleicht ist es auch nicht ganz so dramatisch. Im Altersheim, als du mich Käpt’n Spaßvogel genannt hast, weil ich mir nicht gern was nahegehen lasse.«
»Das kann man laut sagen«, sagte Colin.
»Nein, das war Schwachsinn, und ich wusste, dass es Schwachsinn war. Aber ich habe angefangen darüber nachzudenken, warum ich immer Käpt’n Spaßvogel sein will, und da ist mir keine gute Antwort eingefallen. Aber eben, da draußen vor der Halle, habe ich drüber nachgedacht, was Hollis tut. Ich meine, sie opfert ihre ganze Zeit und ihr ganzes Geld dafür, dass die Leute ihre Jobs behalten können. Sie unternimmt etwas.«
»Okay …«, sagte Colin, der immer noch nichts begriff.
»Und ich bin ein Nichtstuer. Ich meine, okay, ich bin faul, aber ich bin auch richtig gut darin, nicht zu tun, was ich nicht tun soll. Ich habe mich nie betrunken oder Drogen genommen oder mit Mädchen geschlafen oder Leute verprügelt oder gestohlen. Im Etwas-nicht-Tun bin ich immer gut gewesen, bis auf diesen Sommer vielleicht. Und als ich diesen Sommer all die Dinge getan habe, hat es sich so komisch und falsch angefühlt, dass ich glücklich zum Nichtstun zurückgekehrt bin. Ich bin nie ein Macher gewesen. Ich hab nie was für andere getan. Ich mache nicht mal die religiösen Sachen, die Tun erfordern: Ich mache keinen Zakat 83 . Ich mache keinen Ramadan. Ich bin ein totaler Nichtstuer. Das Einzige, was ich tue, ist, Nahrung und Wasser und Geld aufsaugen, und das Einzige, was ich der Welt zurückgebe, ist: ›Hey, ich bin echt gut im Nichtstun. Seht euch all die schlimmen Sachen an, die ich nicht tue! Und jetzt erzähle ich euch ein paar Witze.‹«
Colin musterte Hassan, der aus seiner Limonadendose trank. Weil er das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, sagte er: »Das ist eine gute spirituelle Erleuchtung.«
»Ich bin noch nicht fertig, Dumpfbacke. Ich hab nur zwischendurch einen Schluck getrunken. Also, Witze reißen ist auch eine Form des Nichtstuns. Rumsitzen und Witze reißen und Käpt’n Spaßvogel sein und mich über die Versuche anderer lustig machen, die etwas tun wollen. Mich drüber lustig machen, wenn du dich hochrappelst und es mit der nächsten Katherine versuchst. Oder mich über Hollis lustig machen, die jeden Abend unter einem Berg von Arbeit auf der Couch einschläft. Oder dir aufs Dach steigen, weil du ein Hornissennest abgeschossen hast, während ich gar nicht geschossen habe. So, das war’s. Und jetzt werde ich anfangen, etwas zu tun.« Hassan trank die Dose aus, drückte sie zusammen und ließ sie in den Fußraum fallen. »Siehst du, eben habe ich etwas getan. Normalerweise werfe ich den Müll auf den Rücksitz, wo ich ihn nicht mehr sehen muss, bis du ihn irgendwann wegräumst, wenn dein nächstes Date mit der nächsten Katherine ansteht. Aber jetzt
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