Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
jemanden brauche, der sich an ihrer Stelle öffentlich zeigt, und dass sie gewillt ist, gut dafür zu bezahlen.«
»Wie viel Geld bot Ihnen dieser Herr an?«
»Fünfhundert Pfund in englischer Währung. Zuerst konnte ich es nicht glauben – ich hielt es für irgendeinen Trick –, aber er zahlte mir sofort die Hälfte der Summe aus. Also habe ich meine Stellung gekündigt.«
Die Geschichte ging weiter. Man hatte sie nach Paris gebracht, mit schicken Kleidern ausgestattet und ihr einen »Kavalier«, verschafft. »Einen sehr netten argentinischen Gentleman – sehr höflich, sehr wohlerzogen!«
Es war klar, dass die Frau die Sache ungemein genossen hatte. Sie war nach London geflogen und war dort von ihrem Kavalier in gewisse Nachtlokale ausgeführt worden. Manche dieser Lokale waren nicht fein gewesen, gab sie zu… Sie waren direkt unanständig gewesen. Und manche der Aufnahmen, die man gemacht hatte, auch. Aber man hatte ihr gesagt, dass dies für die »Reklame« notwendig sei. Und Señor Ramon selbst war immer äußerst respektvoll gewesen.
Danach befragt, erklärte sie, dass Mrs Ferriers Name nie gefallen sei und sie keine Ahnung gehabt hatte, dass sie Mrs Ferrier personifizieren sollte. Sie hatte keinerlei böse Absicht gehabt. Sie identifizierte gewisse Fotos, die man ihr zeigte, als Aufnahmen, die in Paris und an der Riviera gemacht worden waren.
Thelma Anderson trug den Stempel absoluter Aufrichtigkeit. Sie war offenbar eine gutmütige, aber etwas dumme Person. Ihr Bedauern über die ganze Sache, jetzt, da sie verstand, war offensichtlich.
Die Verteidigung war nicht überzeugend. Fanatische Beteuerungen, nie irgendetwas mit Thelma Anderson zu tun gehabt zu haben. Die fraglichen Bilder waren in die Londoner Redaktion gebracht worden, und man hatte sie für echt gehalten. Sir Mortimers Schlussrede erweckte frenetischen Beifall. Er schilderte die ganze Angelegenheit als ein heimtückisches, feiges Komplott, um den Premierminister und seine Gattin zu diskreditieren. Alle Sympathien würden sich der bedauernswerten Mrs Ferrier zuwenden.
Das Urteil stand von vornherein fest. Als Entschädigung wurde eine Riesensumme festgesetzt. Als Mrs Ferrier mit ihrem Gatten und ihrem Vater das Gerichtsgebäude verließ, wurde sie von einer ungeheuren Menschenmenge stürmisch begrüßt.
Edward Ferrier drückte Poirot warm die Hand. »Ich danke Ihnen tausendmal, Monsieur Poirot. Nun, das ist das Ende der X-Ray-News. Ein Schmutz- und Schundblatt. Die sind erledigt. Es geschieht ihnen recht dafür, dass sie eine so gemeine Intrige inszeniert haben. Und noch dazu gegen Dagmar, die das gütigste Geschöpf der Welt ist. Gott sei Dank haben Sie die ganze Geschichte als die niederträchtige Erpressung entlarven können, die es war… Was hat Sie auf die Idee gebracht, dass sie eine Doppelgängerin verwenden könnten?«
»Die Idee ist nicht neu«, erinnerte ihn Poirot. »Sie wurde erfolgreich verwendet, als Jeanne de la Motte Marie Antoinette verkörperte.«
»Ich weiß. Ich muss Das Halsband der Königin wieder einmal lesen. Aber wie ist es Ihnen gelungen, tatsächlich die Frau zu finden, die man für diese Rolle verwendet hat?«
»Ich habe sie in Dänemark gesucht und gefunden.«
»Aber warum in Dänemark?«
»Weil Mrs Ferriers Großmutter Dänin war und sie selbst ausgesprochen dänisch wirkt. Und dann gab es noch andere Gründe.«
»Die Ähnlichkeit ist tatsächlich frappant. Was für eine teuflische Idee! Ich frage mich, wie der widerwärtige Kerl darauf gekommen ist?«
Poirot lächelte.
»Aber er ist gar nicht darauf gekommen.«
Er tippte auf seine Brust.
»Es war mein Einfall.«
Edward Ferrier riss die Augen auf.
»Ich verstehe nicht. Was wollen Sie damit sagen?«
Poirot sagte:
»Wir müssen auf eine ältere Geschichte zurückgreifen als Das Halsband der Königin – auf die Geschichte vom Ausmisten der Ställe des Augias. Herkules verwendete für diesen Zweck einen Strom – das heißt eine der großen Naturkräfte. Übertragen Sie das ins Moderne! Was ist eine große Naturkraft? Der Geschlechtstrieb, nicht wahr? Erotik, das zieht, macht die großen Auflagen… Geben Sie den Leuten einen Skandal mit etwas Sex; das ist ihnen viel lieber, als bloße politische Rechtsverdrehungen oder Betrügereien.
Eh bien, das war meine Aufgabe. Wie Herkules grub ich zuerst meine eigenen Hände in den Kot, um einen Damm aufzubauen, der den Lauf jenes Stromes ablenken sollte. Ein befreundeter Journalist half mir dabei.
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