Die Eule - Niederrhein-Krimi
Miteinander möglich. Komisch, dachte Burmeester, je kleiner und enger die Räume, desto näher rücken die Menschen zusammen. Viel zu eng, nichts für ihn.
Vera Kückel schaute sofort über den Zaun, lachte ihm entgegen. Burmeester stellte sich vor.
»Ich bin dabei, mein Versteck zu räumen. Können Sie sich vorstellen, wie erleichtert ich bin? Ich werde erst wieder lernen müssen, abends durch die Stadt zu gehen, ohne mir ständig über die Schulter zu gucken. Nur Melissa wird das hier vermissen. Das ist ein Kinderparadies, überall hat sie Freunde, keine Autos und immer frische Luft. Dafür kann sie noch den Rest der Zeit vor der Einschulung in den Kindergarten gehen, das wird ihr auch gefallen.«
»Kai Manzel war ihr Vater, richtig?«
Vera Kückel kam auf ihn zu. »Ja, und jetzt kann sie ihn besuchen, ohne dass einer von uns beiden Angst haben muss. Sie kann ihm eine Blume aufs Grab stellen, gemalte Bilder dazulegen und an den Papa im Himmel denken. Den besten Papa der Welt kann sie sich nun ausdenken, und niemand wird ihr diese Illusion zerstören können. Ich habe dem Kind nie etwas nehmen wollen. Der Mann konnte nicht verkraften, dass ich ihn verlassen habe, ohne dass ein anderer im Spiel war. Der war krankhaft eifersüchtig.«
Burmeester sah sich um. »Wollen wir nicht lieber reingehen?«
»Hier weiß jeder rundherum Bescheid. Dies ist ein geschützter Ort zum Luftholen mit verständnisvollen Menschen, die sich noch füreinander verantwortlich fühlen. Außerdem mache ich drinnen gerade klar Schiff. Gepackte Taschen und abgezogene Bettdecken wirken ungemütlich, und meine Technik ist auch schon abgebaut.«
»Was machen Sie beruflich?
»Ich fertige technische Zeichnungen für ein Elektronikunternehmen an. Die liefern mir die Vorgaben, und ich setzte alles dreidimensional um.«
»Ihre Nachbarn in Dinslaken waren nicht so gut informiert wie der nette Bartträger von nebenan.«
»Die, ach. Am Anfang hielten sie zu Kai. Ich hätte ihn bei Nacht und Nebel vor die Tür gesetzt. Herzloses Wesen, kalte Schlampe, das waren die Kommentare aus meiner Umgebung. Ich habe immer gesagt, ich halte das aus, der kriegt mich nicht klein. Irgendwann ist man zermürbt, glauben Sie mir. Der hat sich lauter nette Sachen für mich überlegt.«
»Erzählen Sie.«
Und Vera Kückel legte los. Zuerst habe er während ihrer Abwesenheit ihre Wäsche durchwühlt, da habe auch kein neues Sicherheitsschloss geholfen, erst eine völlig neue Haustür mit einem Riegel, der sich seitlich in tief verankerte Schlösser schob, habe ihn dann aus der Wohnung verbannt. Dafür habe er ihren Postkasten, ihre Mailbox, das E-Mail-Fach, den Speicher für die SMS , die Garage, den Keller, den Balkon im Visier gehabt und sei allgegenwärtig gewesen.
»Ich verlor die Arbeit, weil er ständig bei der Firma herumlungerte und jeden anmachte, den er aus meinem Büro kommen sah. Als auch das mich nicht aus der Fassung brachte, lauerte er mir auf, zwängte sich hinter mir in die Wohnung.«
Eine dicke Akte über polizeiliche Einsätze habe sie gesammelt. Alle gerichtlichen Auflagen habe er in den Wind geschrieben.
»Er hatte keinerlei Respekt vor dem Gesetz. Im Gegenteil, er fand noch vor dem Oberlandesgericht einen verständnisvollen Richter, der ihm ein regelmäßiges Besuchsrecht für seine Tochter einräumte. Der hat sich schon vor dem Gerichtsgebäude kaputtgelacht. Du wirst mich nicht los, hat er über die Straße gebrüllt. Einen Kai Manzel setzt man nicht einfach vor die Tür.«
Zu dem Zeitpunkt habe er schon eine neue Freundin gehabt und der das Blaue vom Himmel heruntergelogen.
»Den perfekten Märtyrer hat er ihr vorgespielt, den ungerecht behandelten Mann, den die nymphomane Ex gedemütigt und fortgejagt hat.«
Jetzt wurde sie unruhig, griff in den altertümlichen Lampenschirm aus Rohrgeflecht unter dem Vordach zum Eingang, holte eine Zigarettenschachtel samt Feuerzeug hervor und zündete sich eine an. Schon beim ersten Zug schaute sie ständig in den Garten.
»Meine Tochter will nicht, dass ich rauche. Ich kann’s aber noch nicht ganz lassen. Ich habe mich mit der Neuen von Kai verabredet, weil ich ihr die Augen öffnen wollte. Sie ist mit mir einen Kaffee trinken gegangen und hat mir die Ohren vollgesülzt über diesen liebevollen, einfühlsamen Mann und wollte mich bekehren. Können Sie sich das vorstellen? Die wollte mich für diese hirnrissige Sekte anwerben. Alles sei eine Sache des Verzeihens, man könne sich von Schuld
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