Die Eule - Niederrhein-Krimi
Frau hat es mit dem Henkershelfer nicht ausgehalten und sich scheiden lassen. Ob sie wieder Stricker heißt, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass sie kurz nach der Wende 1989 weggegangen ist. Als Zielort hat sie Duisburg angegeben, eine konkrete neue Meldeadresse ist nicht vermerkt.«
Da war sie also, die konkrete Spur zum Niederrhein. Gero von Aha konnte sein Glück nicht fassen.
»Es könnte für Ihren Fall vielleicht von Interesse sein, dass die Stricker zwei Brüder hat, Zwillinge. Reichlich spleenig fangen alle Vornamen mit dem Buchstaben C an: Conrad, Carl, Cornelia.«
Gero von Aha blickte ihn irritiert an. »Moment mal, wer ist den jetzt Cornelia, ich denke, die Frau heißt Lilli?«
Christiane blendete sich helfend ein. »Na, Lilli war eine allgemein verwendete Abkürzung, die irgendwann auch aktenkundig wurde. Also, ich war früher die Crissi.«
»Genau so wird es gewesen sein. Noch etwas: In den Sonderakten unserer Stelle sind in jüngster Vergangenheit zwei Nachfragen registriert. Die Unterschriften sind unleserlich, Klarnamen lassen sich daraus nicht rekonstruieren. Aber die Herkunftsorte der Auskunftssuchenden wurden notiert: Erfurt und Wesel im Kreis Wesel. Ob sie stimmen, wissen wir auch nicht. Personalausweise müssen nicht vorgelegt werden. Aber es waren zwei Männer. Und beide haben über schwer zu lesende, weil offenbar mit mangelhaftem Farbband einer Schreibmaschine getippte Textstellen in den alten Akten geflucht.«
Die letzten Sätze hatte Beißer nur noch geflüstert. So unterstrich er ihre Bedeutung und schloss mögliche Mithörer auf der nun gut gefüllten Restaurantterrasse aus. Er blickte sich sichernd um. Augenblicklich erhoben sich die drei, dankten und sicherten sich gegenseitig weitere Unterstützung zu. Am Nebentisch faltete ein Gast seine Zeitung zusammen, zahlte und erhob sich ebenfalls. Lilli, dachte von Aha, Lilli als Koseform von Cornelia. Streng und erwachsen, nannte sie sich jetzt Con. Cornelia Garowske.
An der Krämerbrücke hakte sich Christiane bei Gero von Aha unter. Sie trennten sich nicht, sondern tauchten in den Strom der Ausflügler ein und schlenderten ein paar Meter weiter ins Erfurter Nachtleben an der Michaelisstraße. Im Hemingway tranken sie einen Absacker. Christiane bat ihren Begleiter, nach draußen auf die Fassaden zu schauen.
»Siehst du den alten Häusergiebel neben der Kirche? Dort wohne ich im Dachgeschoss.«
Sie hatten keine Augen für den Nachtschwärmer, der ihnen vorsichtig folgte. Er drehte erst ab, als das Paar im Hausflur verschwand. Als sich Gero von Aha einem Gespür folgend umdrehte, war der Schattenhafte schon verschwunden.
* * *
Fest entschlossen saß Burmeester in seinem alten roten Polo und ließ die endlosen Schlangen von Güterwaggons an sich vorbeirattern. Auf dem Beifahrersitz stand die riesige Verpflegungspackung einer Fast-Food-Kette, er pickte dünne Pommes aus einer Papiertüte und schaute nach draußen. Er hatte sein Auto in der Nähe des Glaubenszentrums dicht am Seitenstreifen geparkt, fast verdeckt von wilden Weißdornsträuchern an der Bahnlinie, die Wesel durchschneidet, und so von den Wohnhäusern getrennt. Es tat sich nichts auf dem Parkplatz, die Gelände der umliegenden Firmen schienen verlassen, nur die Güterzüge fanden keine Pause.
Er solle nach Hause fahren und sich einen schönen Abend machen, hatte Karin Krafft ihm gesagt, ihm dabei beschwörend in die Augen geschaut, als hätte sie geahnt, was sich den ganzen Tag über hinter seiner Stirn zusammengebraut hatte. Wenn es schon keinen offiziellen Durchsuchungserlass gab, würde er die Sache eben selber in die Hand nehmen. Klar, nichts von seinen Erkenntnissen aus diesem illegalen Eindringen in ein Haus würde von gerichtlich verwertbarem Belang sein. Einen Überblick wollte er sich verschaffen, einen Blick auf die Anmeldebögen werfen, vielleicht das eine oder andere Foto machen und dann so unbemerkt, wie er das Gebäude betreten würde, auch wieder verlassen. Kein Durcheinander, keine Spur, Burmeester undercover .
Nach einer Stunde war der Himmel endgültig dunkel, die Straßenbeleuchtung ließ zu wünschen übrig. Das Gewerbegebiet zeigte sich düster und unbelebt. Mittlerweile hatte er auch den Burger und den halben Liter Cola verputzt, doch in seinem Magen befanden sich anscheinend weitere kratergroße Löcher. Das Zeug machte nie satt, aber immer glücklich. Er blickte lauernd in alle Richtungen, alles still, jetzt oder nie. Burmeester griff in
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