Die Eule - Niederrhein-Krimi
seine Jackentasche, das kleine Werkzeugset von der Kriminaltechnik zum problemlosen Öffnen von unterschiedlichen Türschlössern zu bekommen hatte ihn einiges an Überredungskunst und Phantasie gekostet. Seinen Schlüsselbund hätte er verloren, mindestens zwei verschlossene Türen zu öffnen, ohne dass seine Vermieterin dies bemerken solle, schließlich lägen die Ersatzschlüssel in der Wohnung. Und der Kollege wüsste doch Bescheid über die gigantischen Preise von Schlüsseldiensten. Vor lauter Verständnis hatte er ihn sogar in die Funktion verschiedener Dietriche und Hebel eingewiesen, die er zielstrebig aus einer Lade im hinteren Teil des Tatortfahrzeugs hervorholte. Ja, auch seine Taschenlampe steckte, mit neuen Batterien versehen, in der anderen Jackentasche, und oben in der Brusttasche spürte er seine Kamera. Burmeester war startklar. Er konzentrierte sich auf seine Aufgabe, schreckte zusammen, als es energisch an seine Autoscheibe klopfte. Ein Lichtstrahl traf ihn unvermittelt ins Gesicht, als sich die Tür öffnete.
»Schröder und Seegers vom Sicherheitsdienst, guten Abend. Bei Ihnen ist alles in Ordnung? Wir haben Sie schon vor einer Stunde hier stehen sehen und dachten uns, jetzt fragen wir mal nach.«
Es gab also einen Sicherheitsdienst. Burmeester fischte seinen Dienstausweis hervor und ließ beide Männer in Dunkelblau einen Blick darauf werfen.
»Ich bin ebenfalls dienstlich hier, Observationseinsatz.«
»Ah, ein Kollege, na, dann wollen wir mal nicht weiter stören. Wen haben Sie denn hier auf dem Kieker?«
Fast anmaßend empfand Burmeester diesen verbalen kollegialen Schlag auf die Schulter und musterte die Männer im trüben Licht. Die dunkelblaue Uniform ähnelte sehr der neuen Dienstbekleidung des Streifendienstes. Selbst ihre Schirmmützen trugen sie korrekt, und ihre wichtigsten Utensilien schienen überdimensionierte Funkgeräte zu sein, die sie einsatzbereit in den Händen hielten.
»Da darf ich leider nicht drüber reden. Sie machen hier stündlich Ihre Runde?«
»Genau, zwischen zweiundzwanzig Uhr und sechs Uhr sind wir hier unterwegs, jede Stunde der gleiche Gang. Sagen Sie, Sie gucken sich doch bestimmt die Heiligen dahinten an, oder? Hab ich immer schon gesagt, die sind nicht ganz koscher.«
»Ich darf Ihnen doch nichts sagen, Herr Seegers, aber ich darf ganz konzentriert zuhören, wenn Sie mir etwas erzählen.«
Seegers verstand den Hinweis, er nahm Haltung an und legte los.
»Nachts ist da nie jemand. Genau genommen sind die still und unsichtbar. Nur diese Oberfromme von denen hat bei uns mal angefragt, ob wir eine Zeit lang Extrarunden machen könnten. Warum, hat sie nicht gesagt. Ich vermute, da hatte jemand was gegen diese Spinner. Ehrlich gesagt, begreifen kann ich nicht, wie man zu einer Truppe rennen kann, die sich ›Gerechte der Welt‹ nennen. Aber anscheinend haben die Zulauf. Schauen Sie sich mal um, Kollege, ist das ein Ort zum Beten?«
»Wem es hilft. Ist es am Wochenende immer so ruhig?«
»Nur am Samstag meint man, hier sei eine verlassene Gegend, denn sonntagabends kommen schon wieder Lieferungen an, wenn die Brummis wieder fahren dürfen.«
»Ja dann, eine friedliche Nacht wünsche ich.«
Die beiden machten sich davon, Burmeester sah ihre Taschenlampen in andere geparkte Autos leuchten. Mist, dachte er, jetzt hatten die sein Kennzeichen, seinen Namen, den Standort. Wie Glühwürmchen glimmten die Taschenlampen in der Ferne, als er einen Entschluss fasste. Morgen. Er würde in der morgigen Nacht hier sein. Ohne Auto, mit komplettem Equipement in seinen Taschen würde er sich von der Hauptstraße aus anschleichen, sobald der Sicherheitsdienst weit genug entfernt war.
Fast erleichtert startete er den Motor und begab sich auf den Nachhauseweg. Es könnte noch was werden mit dem gemütlichen Abend.
ACHT
12. Mai 2010
Sie waren glücklich, weil ihnen in dieser Nacht alles gefiel, was sie voneinander erfahren hatten. Es war nicht viel, sie hatte nicht von ihrer anstehenden und längst überfälligen Masterarbeit gesprochen und er nicht von seinen unvollständigen Ermittlungen. Auskünfte über ihre Familien, die Freunde, auch Lieblingsfilme oder -bücher gaben sie nicht preis. Aber wie sie gemeinsam und unabgesprochen Spuren erkundet und interpretiert hatten, wie sie sich zugehört und miteinander gesprochen hatten, ohne aneinander Ansprüche zu stellen, war gut für sie beide. Für die junge, temperamentvolle und kluge Frau aus dem Osten, für den
Weitere Kostenlose Bücher