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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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hatte auch eine allgemeine Akzeptanz des 1. Januars als Jahresanfang zur Folge. Bis dahin hatten einige Völker das Jahr mit dem 25. Dezember begonnen, andere mit dem 1. Januar oder dem 25. März. Das gregorianische System wurde von allen römisch-katholischen Ländern übernommen, aber die protestantischen oder die russischorthodoxen Länder verwendeten noch lange Zeit den Julianischen oder ›Kalender nach altem Stil‹. Der neue Kalender wurde in England erst 1752 übernommen, als es notwendig wurde, 11 Tage zu überspringen. Die russisch-orthodoxe Kirche akzeptierte den neuen Kalender 1923 und strich 13 Tage, und die Chinesen übernahmen ihn – wenn auch widerwillig – 1912. Sie scherten sich nicht wirklich darum, wie viel Zeit ihnen verloren gegangen war, denn sie ließen ihr altes System parallel weiterlaufen.«
    »Das hat Michael bereits erwähnt«, sagte Galen. »Gibt es einen Grund für diese Geschichtslektion?«, fragte er verzweifelt.
    »Ich glaube, er möchte darauf hinaus«, bot Michael eine Erklärung an, »dass die Welt sich schließlich, um all die Mondkalender und Sonnenkalender und kulturellen Kalender in Einklang zu bringen, auf das geeinigt hat, was wir das Ära-System nennen. Die Geburt Christi wird als Nullpunkt verwendet, um die generelle Chronologie zu vereinfachen. Dabei haben wir allerdings – vielleicht unwiderruflich – eine grundlegende Verbindung zur tatsächlichen Zeit verloren.«
    Michael wünschte, er hätte eine Kamera, um diesen Moment aufzunehmen – Juda sah aus wie eine Figur aus einem Bugs-Bunny-Cartoon, die gerade von einer Klippe gesprungen war.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Juda. »Wenn ich mich vorher mit Ihnen abgesprochen hätte, dann hätten Sie das alles Galen erklären können. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass ›Verbindung‹ das richtige Wort ist – ›Harmonie‹ wäre vielleicht treffender. Und eine Harmonie mit der Zeit hat es… nun, lange Zeit nicht mehr gegeben.«
    Michael kämpfte gegen ein freudiges Erröten über das Lob des jüngeren Mannes an. »Sie machen das ganz gut. Und ich denke, wir haben wahrscheinlich die Vorarbeit gebraucht, besonders wenn Sie auf das hinauswollen, was ich vermute.«
    »Und was wäre das?«, zischte Galen. »Ich habe das Ganze langsam ziemlich satt. Was hat all das mit Harmonie zu tun oder an welchem Tag die Welt begonnen hat oder mit dem chinesischen Kalender?«
    »Tut mit Leid«, sagte Juda. »Ich hatte versprochen, dass ich das erklären würde. Sagen wir mal, es gibt zwei Arten der Wahrnehmung von Zeit – Kalenderzeit und objektive Zeit.«
    »Dafür gibt es Begriffe«, warf Michael ein. »Chronos – oder die Uhrzeit, und Kairos, die reine, dimensionale Zeit.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Juda. »Vielen Dank. Mit Chronos sind wir vertraut, aber Kairos ist wichtiger. Um jedoch von Nutzen zu sein, muss Kairos trotzdem irgendwie gemessen werden. Und um dazu in der Lage zu sein, müssten wir mindestens einen Nullpunkt kennen – und im Großen und Ganzen kennen wir zwei. Einer davon ist Ushers Datum, das sich nicht allzu sehr vom Anfang des chinesischen Kalenders unterscheidet.«
    »Ja«, sagte Michael, »aber haben sich nicht Usher und die Chinesen nach der Chronos-Zeit gerichtet?«
    »Richtig – und das ist die Ursache ihrer Ungenauigkeiten. Wenn sie Kenntnis von der Kairos-Zeit gehabt hätten, würden die Chinesen die Welt regieren und Usher hätte es vielleicht versucht – nun, Usher wahrscheinlich nicht, aber sein Kumpel Cromwell.«
    »War es einer Kultur überhaupt möglich, sich der Kairos-Zeit bewusst zu sein?«, fragte Galen.
    »Es war nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich«, erwiderte Juda. »Die Maya kamen ihr näher als irgendjemand vor oder nach ihnen. Ihr Ausgangsdatum – oder ›Tag Null‹ – unterschied sich von Ushers. Das Datum, an dem ihrer Meinung nach die Welt begonnen hat, entsprach in unserem Kalender etwa dem 13. August 3114 v. Chr. Aber Tage als Maßeinheit bedeuteten den Maya vergleichsweise wenig. Das deutet darauf hin, dass sie mehr auf Muster achteten, die ihnen wichtiger waren, als das exakte Datum zu bestimmen. Für die Maya gab es für alles eine Zeit, und jede Sache hatte ihren Ort in der Zeit. Ihr Verständnis von Zeit, Jahreszeiten und Zyklen war enorm. Aber wenn es um einzelne Tage ging, dann war die Null der einzig wichtige.«
    »Null?«, fragte Galen.
    »Ein Anfang, der keiner ist – ein Ende, das nicht aufhört«, sagte Juda. »Null war der Tag, an dem der Gott

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