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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Augenblick, an dem sie beschlossen, wegzulaufen?«, fragte Michael.
    »Weglaufen?«, sagte Juda und seine Stimme klang seltsam hohl. »Wie wunderbar die Vorstellung doch ist, ich hätte es getan. Ich glaube nicht, dass ich länger als ein paar Minuten bewusstlos war. Doch als ich meine Augen öffnete, sah ich, dass die Flut zurückging, und sie nahm das Brett und meine Schwester mit sich.«
    »Gütiger Gott«, sagte Michael und ließ das Gesicht in die Hände sinken.
    »Ich versuchte aufzustehen, hinauszulaufen und sie zurückzuziehen – sie war nur wenige Meter entfernt – aber ich hatte keine Kraft mehr. Ich brach auf dem Sand zusammen und sah zu, wie sie mit der Flut hinaustrieb. Sie erwachte, bevor sie außer Sichtweite war, und winkte mir zu.«
    Juda hörte auf zu sprechen und starrte in den Fluss. Michael fühlte sich wie ein Idiot. Er suchte nach etwas Tiefgründigem und Aufmunternden, das er hätte sagen können, als Galens Stimme die Stille zerschnitt.
    »Nun«, sagte Galen, »haben Sie beide schon die Geschichte der Welt durchschaut?«
    »Ja«, sagte Juda und stand auf. Alle Spuren der starken Gefühle, die Michael gesehen hatte, wichen aus seinem Gesicht. »Und sie ist, wofür ich sie immer gehalten habe – nur Wasser unter einer Brücke.«
    »Wollen wir los?«
    »Ja, lassen Sie uns gehen.«
    Mit Galen an der Spitze brachen sie auf, um am Ufer der Geschichte entlang zu ihrem Parkplatz zurückzukehren. Michael zögerte und berührte Juda an der Schulter.
    »Ja?«
    Michael biss sich auf die Lippe, während er sich überlegte, ob er fragen sollte. »Ihre Eltern, Juda – was ist mit ihnen passiert?«
    Juda lächelte, und es war nicht das Lächeln, das Michael bisher von ihm kannte – es wirkte kalt und raubtierhaft.
    »Ich habe ihre Wirklichkeit verändert.«
    Michael ließ seinen Arm sinken. Schweigend gingen sie zum Auto.
    »Warum mussten Sie mit uns nach Jugoslawien, um uns Ihre Theorie über die Umkehrungen zu erklären?«, fragte Galen, als sie vor Judas Villa im Wienerwald hielten. »Hätten Sie uns das alles nicht genauso leicht hier in Wien erklären können?«
    Juda nickte, als er die Tür öffnete. »Hätte ich. Aber bis jetzt habe ich von Ihnen verlangt, eine ganze Menge phantastischer Informationen als Realität hinzunehmen, die sich auf wenig mehr als dreimal erzählte Geschichten gründeten – ein einziges Manuskript, von dem Sie beide hoffen, dass es authentisch ist, und die ungenaue Erinnerung an einen Kinderreim. Bevor wir uns dem nächsten Schritt zuwenden können, wollte ich Sie mit einem physischen Beweis für eine Umkehrung konfrontieren. Vor drei Monaten hat ein archäologisches Team von der Universität Utah ein Gutachten über Lepinski Vir erstellt und die Erlaubnis erhalten, einige kleinere Ausgrabungen durchzuführen. Sie hatten nicht erwartet, irgendetwas Ungewöhnliches zu finden. Doch sie fanden etwas.«
    Er griff in die Innentasche seines Mantels und zog einen kleinen Gegenstand hervor, den er hochhielt und im Mondschein betrachtete. »Sie nahmen an, dass es sich hierbei nur um etwas handle, das frühere Expeditionen zurückgelassen hatten. Doch die Erdschicht, in der es gefunden wurde, schrie förmlich das Gegenteil. Nichtsdestotrotz wäre es außer Acht gelassen worden, wenn sich nicht eine der Studentinnen dafür interessiert hätte. Es gelang ihr, das Objekt außer Landes zu schmuggeln – eine Kleinigkeit, da es nicht wie archäologische Schmuggelware aussah – und ließ es schließlich vor einigen Wochen mit Hilfe der Radiokarbon-Methode datieren.«
    »Was ist dabei herausgekommen?«, fragte Michael. Er war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte. »Wie alt ist es?«
    »Lassen Sie es mich so sagen«, sagte Juda. »Ich erfuhr von dem Bericht weniger als zwei Tage nachdem er eingereicht wurde, und gerade noch rechtzeitig – weniger als dreißig Stunden später brannte das Gebäude in Utah, in dem das Institut und das Forschungslabor untergebracht waren, vollkommen aus. Das Team wurde in alle akademischen Winde zerstreut und die Studentin selbst ist verschwunden. Nur das hier blieb übrig.«
    Juda stieg aus dem Auto, wandte sich um und drückte Michael den Gegenstand in die Hand. »Den Radiokarbon-Tests zufolge ist dieses Ding fast achtzehntausend Jahre alt.«
    Damit drehte er sich auf dem Absatz um und war innerhalb von Sekunden in der sich verdichtenden Nachtluft verschwunden.
    Galen blickte dem jüngeren Mann hinterher und trat an Michaels Seite. »Was ist

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