Die ewige Nacht: Die Legende von Wasgo (German Edition)
ersehnte Fingerzeig? War es nur eine Halluzination? War es eine echte Kontaktaufnahme mit Luziferine? Plötzlich sehnte sich der junge Mann nach seiner Mutter. Er wollte ihre Stimme hören und er wollte sie in seine Arme nehmen können. Heimweh überkam ihn. Sein Vater fehlte ihm ebenso wie die Mutter. Er dachte an seine Eltern und dann hörte er die Stimme seines Vaters: „Habe Mut, mein Junge! Habe Selbstvertrauen! Gehe deinen Weg! Du kannst keinen falschen Weg wählen!“
„Vater, wo bist du? Ich kann dich hören, aber nicht sehen? Bitte zeige dich mir!“, bat Wasgo.
Die Stimme seines Vaters ertönte wieder in seinem Inneren. Sie sprach: „Ich bin immer bei dir, mein Junge. Ich bin in deinem tiefsten Innern immer bei dir. Deshalb kannst du mich hören, aber sehen wirst du mich nicht. Vertraue dir, dann vertraust du auch mir. Gehe deiner Mutter nach! Sie weist dir den Weg, den du gehen musst.“
Das Herz des jungen Mannes machte einen kleinen Freudenhüpfer. Er begann den Aufstieg über das Schrofenfeld. Auf allen Vieren bewegte er sich vorwärts und hangelte sich von Felsvorsprung zu Felsvorsprung. Vielleicht war er einhundert Meter weit gekommen, als er seine Mutter nicht mehr sehen konnte. Wo war sie hin? War sie etwa eine optische Täuschung? Wasgo erschrak.
Die ewige Nacht war für ihn ein Fluch. Nachts war es dunkel und tagsüber war es genauso dunkel. Das Gelände, das er durchqueren musste, konnte er nicht richtig erkennen. Er sah einen Felsvorsprung, an dem er sich festhalten wollte, um sich weiter zum Bergkammhochzuarbeiten. Doch er griff ins Leere und mit seinem Fuß hatte er sich auch schon vom sicheren Stand auf festem Gestein abgestoßen. Das war ein Fehler.
Mit einem Fluch auf den Lippen stürzte Wasgo. Er fand keinen Halt mehr und rutschte auf dem Schrofenfeld in die Tiefe. Verzweifelt versuchte er sich festzuhalten, aber das schaffte er nicht. Er rutschte und rutschte immer tiefer, bis zum Beginn des Schrofengeländes. Dort ragte ein Felsvorsprung aus dem Erdboden hervor, gegen den Wasgo mit dem Rücken prallte. Der Aufprall nahm ihm die Luft und Wasgo verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, hatte er große Schmerzen im Rücken. Trotzdem setzte er sich auf und sah sich um. Wo war er nur? Er konnte sich daran erinnern, was passiert war. Aber er wusste nicht, wann es passiert war. Wie viel Zeit mochte seit seinem Absturz vergangen sein? Weil es immer dunkel war, am Tage wie in der Nacht, konnte er nicht einmal ahnen, welche Tageszeit jetzt war. Er rappelte sich hoch und machte sich erneut auf den Weg. Als er genau an die Stelle kam, an der er auf Grund seiner fehlenden Aufmerksamkeit den Halt verloren hatte, wartete er und sah sich genau um. Wasgo wollte sich einen Weg suchen. Einen Weg, der ihn weiter zum Bergkamm führte. Wenn nur auf der anderen Seite kein Schrofengelände war!
Er ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Auf einmal erschrak er fürchterlich: Nicht weit von ihm entfernt saß ein Vampir, der wie Sinclair und dessen Gefolge aussah. Ob dieser Vampir zu Sinclairs Gefolgsleuten gehörte? Dann konnte ihm nichts passieren. War es aber ein fremder Vampir, dann bestand die Möglichkeit, dass der ihn angriff.
Was sollte er nur tun?
Der junge Zauberer entschloss sich, den direkten Kontakt zu dem Wesen der Nacht aufzunehmen. Doch musste er vorsichtig sein. Vampire verfügten über magische Kräfte, die hatte ihm Sinclair ja gezeigt und erklärt. Um einen Vampir im Notfall überlisten zu können, musste Wasgo Zauber anwenden können. Doch wenn er das tat, setzte er sich der Gefahr aus, von Bossus' Schergen aufgespürt zu werden. Aber was sollte er tun? Er sah keinen anderen Ausweg, als den Vampir anzugreifen. Er wollte ihn nicht verletzen, sondern nur kampfunfähig machen.
Unbeweglich stand der Vampir etwa zwanzig bis dreißig Meter vor dem jungen Zauberer. Vorsichtig versuchte Wasgo über das Schrofengelände vorwärts zu kommen. Nur keinen Krach machen, dachte er. Einen wirkungsvollen Zauber hatte er sich schon ausgedacht. Als er näher kam, konnte er aufatmen. Der Vampir gab sich zu erkennen, er war nur ein Felsvorsprung, der in der Dunkelheit einem Vampir ähnlich sah. Erleichtert stolperte der junge Mann weiter und erreichte den Bergkamm. Nun musste er auf der anderen Seite wieder absteigen.
In der Ferne konnte Wasgo mehrere kleine Lichter erkennen. Es sah so aus, als wenn sich seine Vermutung, dass sich auf der Rückseite des Berges ein kleines Dorf
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