Die ewige Nacht: Die Legende von Wasgo (German Edition)
hörte. Beirren ließ sich der junge Mann dadurch aber nicht: „Ich habe auch nichts erkennen können. Wir sind hier wohl in Sicherheit“, gab er vor.
Das Kichern wurde lauter und es kam Wasgo vor, als wenn es aus vielen Kehlen käme. Es war beinahe schon ein vielstimmiges böses Lachen. Durch diese Geräuschkulisse drang Jodaryons Stimme an Wasgos Ohr: „Tu nichts, erst, wenn sie uns angreifen sollten, schlagen wir zurück.“
Langsam gingen sie weiter. Die Hitze wurde noch größer, fast unerträglich. Plötzlich tanzten viele tausend Lichter vor ihnen umher. Sie kamen wie aus dem Nichts auf sie zu. Das Kichern wurde nun endgültig zu einem bösen Lachen, die Lichter wagten sich immer näher an die beiden Männer heran. Und nun erkannte Wasgo, was es war, das sie bedrohte. Die Lichter waren nämlich keine Lichter, sondern Augen. Leuchtende Augen. Diese komisch leuchtenden Augen steckten in einem Gesicht, in einem sehr blassen Gesicht. Das alles gehörte zu einer Seele, einer schwarzen Seele, die einmal einem bösen Menschen gehört hatte und nun in der Hölle schmoren musste.
Diese schwarzen Seelen waren ungefährlich. Sie waren eben wie Geister, die sich ihren Schabernack erlaubten. Erleichtert atmete Wasgo an der Seite seines Meisters auf, als ihm plötzlich ein riesiger Schreck in die Glieder fuhr.
Antares und Luziferine waren völlig außer Atem. Ihr Weg war beschwerlich. Sie durchquerten das Gebirge. Ständig ging es bergauf und irgendwann auch wieder einmal bergab. Einen richtigen Weg gab es nicht und Antares musste für sich und seine Frau einen Übergang über diesen kompliziert zu überwindenden Berg finden. Dieser Berg war wohl der höchste dieser Gebirgskette. Soeben hatten sie sich beinahe siebenhundert Höhenmeter erkämpft. Das Gelände war unwegsam. Große Felsbrocken versperrten ihnen immer wieder einmal den Weg. Entweder sie kletterten darüber hinweg oder sie versuchten diese zu umgehen. Oft war das aber nicht möglich, weil sie häufig ganz unvermittelt an Steilabbrüche und Schluchten gerieten, die für sie nicht zu überwinden waren, sodass sie umkehren mussten.
Antares war gerade so einen Felsbrocken hochgeklettert und legte sich auf den Bauch. Er streckte seiner Frau seine rechte Hand entgegen. Luziferine ergriff die ihr dargebotene Hand und zog sich mit Antares' Hilfe auf den Fels hinauf.
Auch sie war außer Atem und sie forderte eine Ruhepause. Die sollte sie bekommen. Luziferine stöberte in ihren mitgebrachten Vorräten umher. Etwas zum Essen fand sie noch und auch etwas Wasser hatte sie in ihrem Rucksack dabei. Sie ruhte sich mit Antares aus und ließ ihren Blick durch die Dunkelheit schweifen. Aufgrund der Finsternis konnte sie nicht bis ins Tal blicken, sie sah auch nicht die weite Landschaft hinter den Bergen. Sie konnte ebenso wenig die Dörfer am Fuße der Berge wahrnehmen, wie sie die Schluchten zwischen den Bergen nicht erkennen konnte.
Die majestätische Berglandschaft sollte ein Mensch erst wieder an einem Tage bewundern können, wenn die Wolken in der Zukunft verschwunden waren und die Sonne am Himmel scheinen konnte. Aber wann nur konnten Wasgo und Jodaryon das schaffen, dass die Sonne ungehindert am Morgen aufgehen und am Abend untergehen konnte?
Sie aßen in Ruhe eine karge Mahlzeit. Es war nur noch etwas Brot vorhanden und der Wasservorrat neigte sich dem Ende entgegen.
„Ob wir je die Sonne einmal sehen, einen Tag erleben und den blauen Himmel betrachten können, wenn kleine Schäfchenwolken über ihn dahinwandern?“, fragte Luziferine ihren Mann.
„Aber sicher doch. Deshalb ist unser Sohn auf Reisen und wir nun auch“, meinte Antares. Luziferine lehnte sich an ihren Mann an und schloss die Augen. Sie spürte seine Wärme, als er einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.
Plötzlich ruckelte es unter ihnen. Der Felsblock, auf dem sie saßen, begann zu schwanken. Sie öffnete ihre Augen und sah Entsetzliches. Der Boden erzitterte noch einmal. Mit ohrenbetäubendem Getöse brach um sie herum die Welt auseinander. Der gesamte Berg stürzte ein. Mit weit aufgerissenen Augen starrte die junge Frau den Vater ihres Kindes angsterfüllt an. Der Felsbrocken, auf dem sie sich befanden, schwankte und zitterte gefährlich.
Antares hielt seine Frau fest. Sie stieß einen Angstschrei aus. Was konnten sie nur tun? Der sichere Tod war dem Paar gewiss. Mit vor Schreck verzerrtem Gesicht rief Antares etwas. Er wusste selbst nicht, wie diese Worte aus seinem Mund
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