Die ewige Nacht: Die Legende von Wasgo (German Edition)
Konnte Antares ihn hören? Des Adlers Schrei sollte bedeuten: „Gib nicht auf, Hilfe naht!“
Der große majestätische Vogel flog dem Paar entgegen. Er bemerkte, was Antares vorhatte.
„Nein, tue es noch nicht, halt dich am Fels fest!“, signalisierte er Antares mit einem weiteren Schrei. Konnte Antares ihn hören?
Der Fels, auf dem sich die Menschen befanden, begann zu fallen. Zur Seite stürzte er weg und in die Tiefe. Der Adler sah, dass Antares seine Frau eng umschlungen hielt. Antares stürzte mit Luziferine vom Fels herunter. Um sie herum fielen viele kleinere und größere Steine und Erdmassen in das Tal hinab. Hoffentlich wurden Antares und Luziferine davon nicht getroffen. Der Adler sah, dass sich die Menschen im freien Fall befanden. Antares hielt seine Frau immer noch fest in seinen Armen.
Der Adler stürzte nun mit angezogenen Flügeln steil in die Tiefe. Er hatte nicht viel Zeit, die Menschen zu erreichen. Es waren nur zwei bis drei Sekunden. Es musste ihm gelingen die Menschen mit den Krallen zu fassen. Einen zweiten Versuch gab es nicht. Bevor der Adler die Richtung seines Fluges hätte ändern können, um zu ihnen zurückzufliegen, wären sie unweigerlich auf den Erdboden aufgeschlagen. Wenigstens Antares konnte das nicht überleben, das würde seinen Tod bedeuten.
Der große Vogel des Lebens raste an Antares heran. Antares sah ihn auf sich zu kommen. Der arme Mann erschrak und verstand die Welt nicht mehr. War es nicht genug, dass er durch ein Naturereignis um das Leben kommen sollte? Nun kam auch noch ein riesiger Adler auf ihn zugeflogen und wollte ihn als Beute mit sich nehmen! Schon spürte Antares, wie er von den Krallen des Tieres gepackt wurde. Er wurde vor Angst beinahe ohnmächtig. Aber seine Frau hielt er tapfer fest.
Der Adler flog mit ihm und Luziferine davon. Wo wollte dieses Tier nur mit ihnen hin? Antares verfolgte die Flugstrecke des großen Vogels. Sie flogen von dem zusammengestürzten Felsmassiv weg, über ein kleines Tal, über eine weitere Gebirgskette hinweg. In der Dunkelheit konnte Antares nicht alles erkennen. Aber er nahm wahr, dass der Adler mit Luziferine und ihm über drei Gebirgsketten flog. Auf einen Berg der vierten Gebirgskette landete er vorsichtig. Erst jetzt erkannte Antares, dass er und seine Frau für den Adler keine Beute waren, sondern dass sie von dem großen Vogel gerettet wurden. Endlich erkannte Antares in dem Tier den Adler des Lebens und der Weisheit.
Die Wanderung durch die Berge
Ganz vorsichtig legte Antares Luziferine auf den Boden. Er wollte dem Adler für seine und Luziferines Rettung danken, aber er wollte sich auch um seine bewusstlose Frau kümmern. Der Adler erkannte, in welchem Dilemma der Mann steckte, und sprach: „Kümmere dich nur zuerst um Luziferine, sie braucht dich jetzt mehr als ich!“
Antares dankte seinem Lebensretter und drehte seine Frau vorsichtig auf die Seite. Er sprach einen Heilungszauber und die Wunde an Luziferines Hinterkopf schloss sich auf wundervolle Weise. Kurz darauf schlug sie die Augen auf und richtete sich auf.
„Wo sind wir? Was ist geschehen? Wir waren doch eben noch auf einem Felsblock“, stellte Luziferine fest.
„Scht“, machte Antares leise und sagte, „bleibe ruhig, meine Liebe, es ist alles gut. Wir wurden gerettet. Der Adler des Lebens und der Weisheit hat es getan.“
Erst jetzt sah die Frau das riesige Tier. Sie erhob sich und ging ohne Furcht auf den großen Vogel zu. Tief verbeugte sie sich vor dem Adler: „Ich danke dir für unsere Rettung, lieber Adler. Aber bitte sage mir, warum hast du uns hierher gebracht? Wir waren doch in einer ganz anderen Gegend unterwegs? Jetzt sind wir wieder einige Tagesmärsche von unserem Ziel entfernt.“
„Ihr seid von dem Ziel entfernt, von dem ihr glaubt, dass es wichtig ist, dort einigen Menschen zu helfen. Aber es ist nicht immer wichtig, Menschen direkt zu helfen. Manchmal ist es besser, etwas zu tun, um ein anderes Ziel zu erreichen. Ist das andere Ziel erreicht, habt ihr aber den Menschen schon mehr geholfen, als ihr es sonst gekonnt hättet. Deshalb habe ich mir erlaubt, euch hierher zu bringen. Wandert von hier aus nach Westen, dann werdet ihr erkennen, warum das so sein musste.“
Auch Antares dankte dem majestätischen Tier und danach flog der Adler davon.
Luziferine stellte fest, dass sie ihre Rucksäcke verloren hatten. Sie hatten weder etwas zu essen noch etwas zu trinken und nicht einmal mehr etwas zum Anziehen, ein
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