Die ewige Straße
Quait und Chaka waren inzwischen übereingekommen, die Gruppe klein zu halten. Außerdem bevorzugte der Senat eine Durchführung mit möglichst geringen Kosten.
»Wegen der Geschichten über meinen Vater.«
Silas wand sich. »Achte einfach nicht darauf. Die Menschen schwatzen eben gern.« Er schüttelte den Kopf.
Flojian machte eine Anstrengung, die Schultern zu straffen. »Ich habe ein Recht darauf, mit euch zu kommen. Ich kann selbst für mich aufkommen. Ob es dir paßt oder nicht, ich bin dabei.«
Silas wollte sich noch nicht geschlagen geben. »Die Planungen sind bereits abgeschlossen«, erklärte er. »Außerdem wird es ein strapaziöses Unterfangen und ganz bestimmt kein Zuckerschlecken.« Flojian zuckte zusammen. Er war bisher ein ziemlich nutzloses Individuum gewesen, dessen Leben sich nur um Geld und Wohlstand gedreht hatte.
Aber auch er gab nicht auf. »Du kannst mich nicht daran hindern, mitzukommen, wenn ich es will«, beharrte er. »Bitte, Silas. Ich weiß, daß du nicht viel von mir hältst, aber du bist es meinem Vater schuldig.«
»Ich werde mit den anderen reden«, wich Silas aus. »Ich lasse dich wissen, was dabei herausgekommen ist.«
Bei einem ihrer Treffen war ein weiterer Besucher zugegen: Avila Kap, die Priesterin vom Orden von Shanta der Heilerin. Es war ein klarer, warmer Abend, und sie trug ein unscheinbares Flanellhemd und lange Baumwollhosen statt ihrer gewohnten geistlichen Robe. »Ich möchte mit Ihnen gehen«, sagte sie.
Silas sah, daß Chaka und Quait so überrascht waren wie er selbst. Und sie verspürten Unbehagen. Avila war schließlich an die Regeln ihres Ordens gebunden und konnte nicht einfach so in die Wildnis gehen. »Mentorin«, sagte Silas deswegen, »wir sind bereits vollzählig.«
Avila war eine große Frau, beinahe sechs Fuß, und sie bewegte sich mit Eleganz. Ihre dunklen Augen schimmerten, und Silas erblickte eine Spur von Verzweiflung darin. »Trotzdem«, entgegnete sie. »Ich möchte mitkommen, wenn Sie es erlauben.« Sie blickte die anderen der Reihe nach an. »Wir müssen jedes Jahr mehrere Wochen in der Wildnis verbringen, um mit der Göttin in Kontakt zu bleiben. Ich besitze also die notwendigen Fähigkeiten, um dort draußen zu überleben, und ich kann Ihnen versichern, daß ich niemandem zur Last fallen werde.«
»Da bin ich sicher.« Silas dachte an Flojian und an sich selbst. Falls irgend jemand während dieser Reise zu einer Last für die anderen werden würde, dann bestimmt nicht diese sehr kompetent wirkende Frau. »Besitzen Sie die Erlaubnis, mit uns zu gehen?«
»Das ist doch wohl meine Sache!«
Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. »Dürfte ich fragen, aus welchem Grund Sie mitkommen wollen?« erkundigte sich Silas.
Sie atmete einmal tief ein und aus, bevor sie antwortete. »Weil ich meinem Leben einen Sinn geben möchte.«
Silas wurde vom Imperium geehrt. Dann überreichte man ihm ein Dokument, in dem bescheinigt wurde, daß seine Mission der Mehrung menschlichen Wissens diene, und verabschiedete ihn unter Fanfarenklängen.
Flojian übergab die Geschäfte an seinen Stellvertreter, der ihn prompt mit dem Versprechen nervös machte, während seiner Abwesenheit neue profitable Märkte zu erschließen. »Lassen Sie alles so, wie es ist«, bestimmte er. »Oder ich hacke Ihnen die Hände ab, wenn ich zurück bin.«
Am 16. Februar, dem zwanzigsten Tag, nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hatten, und dem achtunddreißigsten Tag nach Kariks Tod, ritten Chaka, Silas, Quait und Avila bei Sonnenaufgang zu Flojians Villa hinaus, wo ein Dutzend Packpferde und ein Berg von Ausrüstungsgegenständen und Vorräten warteten. Silas hatte sich bereits von seinen Freunden und Verwandten verabschiedet. Sie hatten ihm – wie es in jener Zeit üblich war – gewünscht, daß der Wind seinen Weg versperren und die Flüsse keine Durchquerung erlauben mochten. (Es herrschte der Glaube, auf diese Weise ließe sich der Neid der Götter mildern.) Silas hatte sein Testament erneuert und sein kleines Haus bis zu seiner Rückkehr einem vertrauenswürdigen Studenten übergeben. (»Bis weitere Nachrichten eintreffen oder mein Testament in Kraft tritt.«)
Avila traf in waldgrüner Bluse und enger Hose ein. Sie hatte sowohl ihre heiligen Gewänder als auch ihren Eid abgestreift. Die Oberpriesterinnen im Tempel hatten aufgebracht reagiert, obwohl Avilas Entschluß nicht völlig überraschend gekommen war. Nichtsdestotrotz waren sie zornig auf sie, und
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