Die Ewigen
Glasbord, mein Nagellack und mein Vorrat an Kopfschmerztabletten in einer Kommode. Auch hier war alles in hellen Farben gehalten, auch hier schimmerte der dunkle Holzboden satt, wetteiferten die Handtücher mit dem Teppich in Sachen Flauschigkeit um die Wette. Das Ankleidezimmer war sichtlich Josies ganzer Stolz, auch wenn sich meine Klamotten recht verloren in den großen Schränken und Kommoden ausnahmen. Es gab dort auch einen hinter einer Verblendung versteckten Tresor, der bereits die Chronik sowie diese von mir noch nicht einmal aufgeschlagene Mappe mit den Bankunterlagen über das Konto in München enthielt, und von der Größe her auch Schwert und Dolch aufnehmen konnte. Ich entnahm die Kombination einem von Andreas' versiegelten Umschlag (schwarzer, satt glänzender Lack mit dem vom Schwingenkreuz umschmeichelten A darin) und lernte sie auswendig: Aufessen musste ich das Papier samt Siegellack zum Glück nicht, ich zerriss es zu Konfetti und Josie spülte es die Toilette hinunter.
Da es mittlerweile schon auf sieben Uhr zuging und Ciaran für acht das Essen angekündigt hatte, trabte Josie in halsbrecherischer Geschwindigkeit mit mir durch den Rest des Haupthauses, wobei ich zwischen Gängen, Türen und Stockwerken mehrmals die Orientierung verlor und meine noch immer leicht angeschlagene Konstitution verfluchte. Über mir im vierten und fünften Stock waren die Zimmer der anderen Ordensmitglieder, und Josie zeigte mir im Vorbeigehen die Türen zu den Zimmern von Shane, Jackson, Magnus und ihrem eigenen, aber ich bezweifelte, dass ich unter den immer gleichen Flügeltüren die richtigen wieder finden würde, wenn es darauf ankäme. Im zweiten Stock gab es im rechten Gang eine ganze Anzahl von Gästezimmern, die laut Josie aber so gut wie nie benutzt wurden, die ganze andere Seite dieses Stockwerks nahm ein Ballsaal ein: Wunderschön, mit ewig langem Esstisch unter bemalter Stuckdecke und verspiegelten Wänden. Im ersten Stock gab es eine Bibliothek - zwar nur einstöckig, aber trotzdem locker doppelt so groß wie die in Rom, mit langem Arbeitstisch und klassischer Ledersitzgruppe vor einem enormen Kamin ganz ähnlich eingerichtet. Ich schritt die deckenhohen Holzregale ehrfürchtig ab und nahm mir vor, meine Zeit hier auf jeden Fall dafür zu nutzen, um mir ein paar dieser Bände anzuschauen: Hier standen mittelalterliche Prachthandschriften neben Erstausgaben von Klassikern der Weltliteratur, und ich schätzte, dass allein der Inhalt dieses Raumes ein dreifaches oder vierfaches (mindestens!) von dem wert war, was der Orden mir an Bargeld übereignet hatte. Bibliothek und Ballsaal waren noch am ehesten Burg-mäßig, fiel mir auf, während Josie meinen Streifzug durch die Bibliothek mit schräg gelegtem Kopf und erneutem ungeduldigem Fußtapsen erduldete, alles andere glänzte neu und modern - und diese Mischung hatte was, keine Frage. Vor allem die Eingangshalle war ein angenehmer Kontrast zu der hallenden Leere in Rom gewesen: Auch hier war der graue Stein verbaut und schlangen sich die Schwingenkreuze im Bodenmosaik auf ewig ineinander, aber eine Sitzgruppe, Teppiche, ein paar große Pflanzen und Bilder an den Wänden machten alles hell und freundlich. Die Korridore waren sämtlich mit Teppich ausgelegt, statt der düsteren, nachgedunkelten Gemälde wie in Rom buhlten hier moderne, frische Werke um meine wertschätzende Gunst - diesmal erregte ein Chagall im Gang zur Bibliothek meine Aufmerksamkeit und ließ mich kurz innehalten: Wahrscheinlich zeigte das Gemälde ein mittlerweile verstorbenes Pferd des Ordens, dachte ich ein wenig pietätlos, bevor ich wieder zu Josie aufschloss, die mir kurz darauf mit deutlich weniger Enthusiasmus mein Arbeitszimmer präsentierte. Es lag wie die Bibliothek im ersten Stock, neben den Büros von Andreas und Ciaran, war angeschlossen an einen Raum, der nach Jahrhunderte altem Papier roch und dieses auch beinhaltete: Akten über Akten, die Geschichte des Ordens in Zahlen, Geldbeträgen und Bestandlisten (*gähn*). Das Arbeitszimmer sah nicht so aus, als würde ich es jemals benutzen: Mit schweren Möbeln und leeren Bücherschränken aus dunklem Holz wirkte es düster und deprimierend - als sei hier vor kurzem ein verstaubter Professor emeritiert (oder Schlimmeres!). Josie tätschelte mir tröstend den Arm und versprach Besserung für die nächste Woche, als ich den Raum wenig begeistert musterte. Ich wollte sie zurückhalten (was sollte ich als vorübergehender Gast mit
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