Die Fackel der Freiheit
Verärgerung ausdrückte. Alle seine ›Söhne‹ waren immens leistungsorientiert, und keiner von ihnen war wirklich bereit, jemals eine Auszeit zu nehmen. Er musste sie praktisch mit einem Knüppel bedrohen, damit sie es wenigstens hin und wieder doch taten. Diese Grundeinstellung schien im Detweiler-Genotyp praktisch fest verdrahtet zu sein, und das war in vielerlei Hinsicht auch gut so. Aber wie er Collin gerade eben noch einmal deutlich zu verstehen gegeben hatte (und das immer noch in Form einer gewaltigen Untertreibung), verlangten Regenerationstherapien dem Körper schlichtweg Unglaubliches ab. Selbst mit der qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung, die ein Detweiler erwarten durfte, und der natürlichen Widerstandskraft, die der verbesserten Konstitution der Alpha-Linie zu eigen war, kostete es Collin noch immer eine immense Energie, einen ganzen Arm nachwachsen zu lassen. Als diese ›geringfügige‹ Notwendigkeit dann noch zu all den anderen physischen Reparaturen hinzukam, die Collin benötigte, hatten sich einige seiner Arzte wirklich Sorgen darüber gemacht, wie sehr er sich doch antrieb.
Ernstlich hatte Albrecht in Erwägung gezogen, Collin anzuweisen, die Untersuchungen jemand anderem zu übertragen, doch letztendlich hatte er sich doch dagegen entschieden. Zum Teil, weil er wusste, wie wichtig das Ganze seinem Sohn auch persönlich war, und das aus mehrerlei Gründen. Zum Teil auch, weil Collin, selbst wenn er unter Schmerzen und chronischer Übermüdung litt, immer noch - vor allem mit Benjamins Unterstützung - besser in derlei Dingen war als praktisch jeder andere, der Albrecht nur einfallen wollte. Und zum Teil - und das war eigentlich sogar der Hauptgrund, wenn Albrecht sich selbst gegenüber ehrlich war -, weil ihm nach dem Chaos und der Verwirrung, die dieser gewaltigen Zerstörung gefolgt waren, niemand mehr verblieben war, dem er diese Aufgabe hätte übertragen können und dem Albrecht voll und ganz vertraute.
»Also gut«, sagte er nun, und in dem Blick, den er Collin zuwarf, lagen ein angedeutetes Lächeln und Missbilligung gleichermaßen. »Du konntest diese Aufgabe an niemand anderen übertragen, weil du viel zu zwangsneurotisch bist, um mit dieser Vorstellung überhaupt leben zu können. Dafür haben wir wohl alle Verständnis. Scheint eine Art Familienkrankheit zu sein.« Er hörte, wie Benjamin belustigt schnaubte, und sein Lächeln wurde breiter. Dann jedoch verblasste es wieder ein wenig. »Und wir alle verstehen auch, dass dir das ein bisschen arg nahegegangen ist, Collin, und das in vielerlei Hinsicht. Ich will nicht einmal so tun, als würde es mir auch nur ansatzweise zusagen, wie sehr du dich angetrieben hast, aber ...«
Er zuckte mit den Schultern, und Collin nickte verständnisvoll.
»Naja, nachdem das nun gesagt ist ...«, fuhr sein Vater fort. »Ich gehe davon aus, dass du zu dem Schluss gekommen bist, Jack McBryde sei in Wirklichkeit ein Verräter gewesen?«
»Ja«, seufzte Collin. »Ich muss zugeben, ein Teil von mir sträubt sich immer noch gegen diese Schlussfolgerung. Aber es ist leider so gut wie sicher, dass er wirklich ein Verräter war.«
»Nur ›so gut wie‹?«, fragte Benjamin, und in seiner Stimme schwang gelinde Skepsis mit. Collin blickte ihn an, und Benjamin wölbte fragend eine Augenbraue.
»Nur ›so gut wie‹«, wiederholte Collin mit etwas mehr Nachdruck. »Nachdem wir so viele unserer Unterlagen endgültig verloren haben und das, was uns geblieben ist, so fragmentarisch - und teilweise sogar widersprüchlich - ist, kann jegliche Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen, letztendlich nur ›vorläufig‹ sein, vor allem, was die dahinterstehenden Motive aller Beteiligten betrifft. Aber ich verstehe, was du meinst, Ben, und ich will auch gar nicht so tun, als falle es mir leicht, diese Schlussfolgerung zu akzeptieren.«
»Aber du akzeptierst sie mittlerweile?«, fragte sein Vater leise nach.
»Ja.« Mit seiner unverletzten Hand rieb Collin sich kurz über das Gesicht. »Trotz der fragmentarischen Aufzeichnungen, die wir gefunden haben und in denen es so aussieht, als hätte Jack noch in letzter Minute verzweifelt versucht, irgendeine Verschwörung abzuwehren, kann man diese Aufnahmen, die Irvine angefertigt hat, nicht anders interpretieren, als dass er eben doch schuldig war. Und erst recht nicht mehr, nachdem wir nun bestätigt sehen, dass es sich bei dem Kellner, mit dem sich Jack getroffen hat, um Anton Zilwicki gehandelt hat. Und
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