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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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in deinem Testament zu bedenken. Du gehst in die Kirche und hörst dir die Predigt nicht nur an, sondern zitierst sogar daraus. Ich habe dich vor längerer Zeit während des Gottesdienstes beobachtet, Abbie. Da bist du in der Kirchenbank eingenickt und erst aufgewacht, als der Junge von Williams das Gloria Patri auf der Trompete blies.«
    Daran konnte ich mich entsinnen. Es war ein grauenvoller Gottesdienst gewesen. Wozu brauchten sie unbedingt eine Trompete, nur weil Ostern war. Schließlich haben wir eine gute Orgel. Außerdem ist der Williams-Junge unmusikalisch und traf keinen einzigen Ton.
    »Weiter«, fuhr Franklin fort. »Du arbeitest freiwillig im Frauenhaus und machst dir dort in der Küche die Hände schmutzig. Du kochst und verteilst an Thanksgiving Essen. Dabei kannst du doch überhaupt nicht kochen, Abigail.«
    »Das stimmt nicht. Erst vor ein paar Wochen habe ich Evelyn Dixon geholfen, einen Truthahn und Kürbiskuchen zu machen.«
    Es war auch ganz gut gelungen. Selbstverständlich war ich nicht zum Essen geblieben, sondern hatte den anderen nur mitgeteilt, dass ich bereits eine Einladung hätte. Doch Evelyn hob mir ein Stück Kuchen auf, und Liza sagte später, der Truthahn sei sehr saftig gewesen.
    »Und noch etwas. Am Freitag rief ich bei dir an, um dich zu fragen, ob du mit mir in den Grill essen gehen möchtest. Hilda sagte mir, du seist im Quiltladen.« Schon wieder diese Hilda! Wann würde sie endlich lernen, Vertrauliches für sich zu behalten? »Bei deiner Quiltrunde. Quiltrunde? Du quiltest doch gar nicht, Abbie. Jedenfalls bisher nicht. Und jetzt verbringst du jeden Freitagabend im Cobbled Court, backst Plätzchen mit Evelyn Dixon oder nähst an einem Quilt, zusammen mit Liza und dieser anderen Frau – wie heißt sie doch gleich?«
    »Margot Matthews.«
    Er nickte. »Margot. Abbie, du hast seit dreißig Jahren keine neuen Freundschaften mehr geschlossen! Du kannst ja kaum deine alten Freunde ertragen! Und jetzt das. Was geht hier vor?«
    Wütend knallte ich die Hände auf die Armlehnen meines Stuhls, stand auf, raffte meine Handtasche und den Beutel vom Cobbled Court zusammen und ging mit raschen Schritten zur Tür. »Na gut, ich gebe zu, ich habe mich verändert! Na und? Ich habe keine Ahnung, warum, und offen gestanden, Franklin, ist es mir auch völlig egal. Aber was auch immer der Grund sein mag, mir gefällt es!« Ich schrie jetzt beinahe. »Ich habe mich lange nicht mehr so wohl gefühlt. Passt dir das vielleicht nicht?«
    Franklin erhob sich ebenfalls. Sein Gesicht zeigte wieder dieses Puck-Lächeln. »Doch, Abigail. Das passt mir sogar sehr.«
    »Hurra!« Ich warf die Hände in die Luft, als säßen über mir auf einer Galerie imaginäre Zuschauer. »Da können wir ja alle beruhigt sein. Franklin Spaulding passt es! Was für eine Erleichterung! Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss zu einem Tag der offenen Tür und bin schon spät dran.«
    Ich zog die Tür hinter mir zu und nickte Franklins Empfangsdame zu, bevor ich die Treppe hinunterlief und auf die Commerce Street hinaustrat. Die Sonne schien, doch die Luft war kalt. Der Bürgersteig mit der dünnen Schneeschicht sah aus wie mit Puderzucker bestäubt. Gruppen von Einkaufsbummlern mit Tragetaschen hasteten vorüber, und ihre Füße hinterließen scharf umrissene Spuren im Schnee. Ich wandte mich nach links, wo Cobbled Court Quilts lag.
    Als ich nach oben blickte, sah ich Franklin, der an seinem Bürofenster im zweiten Stock stand und mich lächelnd beobachtete.

19
    Evelyn Dixon
    Bis Weihnachten war es noch eine Woche. Ich hatte die Decke mit den Applikationen gerade noch rechtzeitig fertig bekommen. Doch als ich an jenem Abend in meiner Wohnung auf dem Fußboden saß und die Schachtel mit dem Weihnachtsschmuck aus dem Schrank holte, hatte ich plötzlich keine Lust mehr, überhaupt einen Baum aufzustellen.
    Für unseren alljährlichen Tag der offenen Tür mit »Quiltin« hatten wir alle Kunden eingeladen, vorbeizukommen und ihre aktuelle Arbeit mitzubringen. Daran konnten sie bei Kakao und Plätzchen arbeiten, damit sie noch bis Weihnachten fertig wurden. Etwa einhundert Leute waren gekommen – Gott sei Dank nicht alle auf einmal. Daher konnten wir das stetige Kommen und Gehen bewältigen.
    Einige Sonderangebote verkauften sich gut, doch da wir die Einladungskarten nebst Porto, Erfrischungen und ein kleines Geschenk für jede Kundin – ein Nadelkissen fürs Handgelenk – bezahlen mussten, blieb von den Einnahmen nicht

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