Die Fäden des Schicksals
soll eine Quiltsendung machen. Aber ich könnte schwören, dass sie noch nie im Leben Nadel und Faden in der Hand gehabt hat. Egal, Heather ruft uns jedenfalls an und sagt, sie will eine Sendung mit uns machen. Unsere eigene Show! Perfekt quilten mit Mary Dell und Howard! Kannst du dir das vorstellen? Jippiiie!«
Mary Dell kreischte in den Hörer, und ich kreischte zurück. Für einen Augenblick war uns zumute, als wären wir wieder auf der Highschool und soeben beide zur Ballkönigin gewählt worden. Ich freute mich so für sie!
»Unglaublich! Die Sache mit dem Buch war schon aufregend genug, aber das erst! Baby, ich bin so glücklich wie eine Muschel bei Hochwasser!«
»Das ist einfach großartig, Mary Dell! Und wie geht es jetzt weiter? Wann kommt denn eure Show im Fernsehen?«
»Im Frühling. Wir erstellen gerade das Konzept für die ersten sechs Folgen, und direkt nach den Feiertagen geht es los mit dem Dreh. Ich bin so aufgeregt, Evelyn! Howard nimmt das alles ganz gelassen, als hätte er schon immer damit gerechnet, dass er mal ein Fernsehstar wird. Es brauchte nur jemand zu kommen, der ihn vor eine Kamera stellt. Diese kleine Heather hat sich geradezu in ihn verliebt. Du weißt doch noch, wie er immer mit seinen kleinen Vorschlägen kommt – wohin man den Block setzen sollte oder welche Farbe besser passen würde. Heather fand das einfach toll. Ihr gefällt es, wie Mutter und Sohn zusammenarbeiten, sagt sie. Jetzt bekommt er doch tatsächlich in jeder Folge seine festen anderthalb Minuten, in denen er etwas zur Farbauswahl sagen darf. ›Howards fabelhafte Farben‹ wollen sie es nennen. Ist das nicht wunderbar?«
»Ja, für Farben hatte er immer schon ein Auge. Oh, Mary Dell, das sind so gute Nachrichten, und ich freue mich schrecklich für euch. Richte das auch Howard aus.«
»Das werde ich tun. Der einzige Nachteil an dem Ganzen ist, dass es unser Leben ein bisschen durcheinandergebracht hat. Bevor Heather anrief, hatte ich eigentlich vor, mich in ein Flugzeug zu setzen und dich zu besuchen. Es sollte so etwas wie eine Weihnachtsüberraschung werden. Aber jetzt …«
Meine Begeisterung erstarb. Es wäre so herrlich gewesen, sie wiederzusehen, und mir wurde klar, dass ich unbewusst gehofft hatte, sie würde plötzlich mit ihrem grellen Lachen und den ebenso grellen Ohrringen in der Tür stehen und meine Traurigkeit verscheuchen. Ich hatte Heimweh, nicht nach meinem Haus oder meinem früheren Leben, sondern nach Mary Dell, meiner alten besten Freundin. Doch eines war sicher: Auch wenn gerade ihr schönster Traum in Erfüllung ging, hätte ich ihr bloß von meinem Kummer zu erzählen brauchen, und sie hätte alles stehen und liegen lassen und wäre zu mir gekommen. Doch das ging einfach nicht, nicht ausgerechnet jetzt, wo sie mit etwas so Wichtigem beschäftigt war.
»Mach dir darüber keine Sorgen, Mary Dell«, antwortete ich. »Und wenn alles etwas ruhiger geworden ist, dann besuchst du mich ganz lange. Aber sag mir Bescheid, wann die erste Sendung kommt. Dann gebe ich eine Premierenparty und lade jeden ein, den ich kenne.«
Ich lachte. »Und ich habe mir auch schon überlegt, welches Essen dazu passt: Chicken Wings, Bananenpudding und Dr. Pepper! So etwas haben sie hier in Neuengland noch nie gegessen. Die werden gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Wahrscheinlich haben sie danach eine Woche lang Verdauungsprobleme!«
Mary Dell johlte bei dem Gedanken an einen Haufen Yankees (von denen sie einmal behauptet hatte, sie wären so steif, dass sie die Pizza mit Messer und Gabel und einer Serviette um den Hals äßen), die sich ihre Sendung anschauten und dabei Hühnchen mit den Fingern aßen. »Und Barbecue!
Und Käsestangen!«, rief sie. »Ja, Käsestangen müssen unbedingt sein, Baby!«
Plötzlich kam ihr eine Idee. »Warum kommst du nicht zur ersten Aufzeichnung runter? Das wird irgendwann Ende Januar sein. Wenn ich wüsste, dass du im Zuschauerraum sitzt, würde ich mich gleich besser fühlen.«
Ende Januar. Ich wusste genau, wo ich dann sein würde und dass ich bestimmt nicht nach Texas fliegen konnte. Doch das durfte ich Mary Dell nicht sagen. Nicht ausgerechnet jetzt.
»Ach, mein Schatz, ich wünschte, es ginge, aber …« Ich suchte fieberhaft nach einer Ausrede. »Ich kann einfach nicht. Ich … ich muss nach Rohde Island zu einer großen Quiltausstellung. Dort werde ich einige Workshops leiten, und deshalb kann ich nicht mehr absagen. Es ist so eine gute Werbung für mich. Das
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