Die Fäden des Schicksals
verstehst du doch?«
»Ja, sicher.« Sie versuchte, überzeugend zu klingen, doch mir konnte sie nichts vormachen. Dafür klang ihre Stimme zu enttäuscht. »Jetzt, wo du gerade erst angefangen hast, kannst du dir eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen.« Ich murmelte eine vage Zustimmung.
»Aber da rede ich die ganze Zeit nur über mich und frage gar nicht, wie es dir geht! Wie läuft das Geschäft? Und wie geht es dir jetzt nach der OP? Du scheinst ja wieder ganz gesund zu sein, wenn du einen großen Workshop in Rhode Island leiten kannst.«
»Oh ja, alles in Ordnung. Könnte gar nicht besser sein.«
20
Abigail Burgess Wynne
Sie war begeistert«, antwortete ich auf Evelyns Frage. »Absolut begeistert!«
Ich legte meine Einkäufe auf die Ladentheke. Sie bestanden aus zwei Metern eines neuen Stoffes, dessen Muster grinsende Piraten zeigte, die den Mast eines Schiffes mit knallroten Segeln auf einem leuchtend blauen Meer erklommen. Außerdem einen Meter eines dazu passenden Pieces-ofEight- Stoffes und vier Fat Quarters in Rot und Blau. »Du hättest ihre Augen sehen sollen, als sie das Päckchen öffnete. Dann warf sie sich den Quilt wie ein Cape um die Schultern und wollte ihn gar nicht mehr ablegen.«
»Das ist wunderbar, Abigail. Ich freue mich so.« Evelyns Lächeln war herzlich, doch ihre Augen blickten müde. Ich fragte mich, ob sie genug Schlaf bekam. Die letzten Tage des Weihnachtsgeschäfts waren offensichtlich sehr anstrengend für sie.
Ich legte noch eine Rolle blaues Nähgarn zu den übrigen Sachen, damit Evelyn sie eintippen konnte. »Ich auch. Ich glaube, in diesem Augenblick fühlte sie sich nicht mehr einfach als Bethany, sondern als jemand ganz Besonderes. Heute Morgen musste ich zu einer Vorstandssitzung im Frauenhaus, und da traf ich Bethanys Mutter Ivy in der Eingangshalle. Sie dankte mir immer wieder und sagte, noch nie hätte sich jemand für ihr kleines Mädchen so viel Mühe gemacht. Kannst du dir vorstellen, dass sie tatsächlich Tränen in den Augen hatte? Der Direktor erzählte mir, dass Ivy keine Verwandten mehr hat. Ist das nicht traurig? Jedenfalls brachte mich das auf die Idee, noch einen Quilt für Bethanys kleinen Bruder Bobby zu nähen. Ich kann ja nicht behaupten, dass mir diese Piraten besonders gut gefallen, aber er ist anscheinend verrückt danach. Also wird es eben ein Piratenquilt. Du hattest recht, Evelyn; wenn man jemandem einen Quilt schenkt, dann zeigt man ihm, dass man ihn mag.«
»Mein Reden.« Lächelnd verstaute Evelyn die Sachen in einer der rot-weiß karierten Einkaufstüten von Cobbled Court Quilts. »Das macht dann sechsundvierzig Dollar und achtundzwanzig Cent.«
Ich holte drei Zwanzig-Dollar-Scheine aus der Brieftasche. In diesem Augenblick bimmelte die Türglocke, und Margot betrat den Laden. Sie war den Tränen nahe. Bevor ich noch etwas sagen konnte, bestürmte sie Evelyn mit Fragen.
»Warum hast du das getan, Evelyn? Woher hattest du das Geld? Was hast du dir bloß dabei gedacht? Ich kenne doch deine Bilanz. Du kannst dir das nicht leisten, und ich nehme es auf keinen Fall an.«
»Margot, wovon sprichst du denn? Beruhige dich doch.« Mit gerunzelter Stirn reichte Evelyn ihr ein Kleenex aus der Schachtel unter dem Ladentisch.
Margot putzte sich die Nase. »Tu nicht so, du weißt genau, wovon ich rede. Die Überweisung.« Evelyn und ich blickten sie verständnislos an. »Auf mein Konto. Gestern Abend habe ich online mein Konto überprüft, und da waren auf einmal fünftausenddreihundertachtzig Dollar mehr darauf. Als ich dann heute zur Bank ging und ihnen sagte, dass jemand einen Fehler gemacht hätte, sagte mir die Kassiererin, es sei kein Fehler, sondern das Geld sei auf mein Konto eingezahlt worden. In bar! Deshalb weiß ich nicht, wer es getan hat, aber ich bin sicher, dass du es warst.«
Margot schnäuzte sich noch einmal geräuschvoll. »Ich habe dir schon einmal gesagt, Evelyn, ich helfe dir im Laden, weil es mir Spaß macht. Du brauchst mir nichts dafür zu bezahlen. Das kannst du dir nicht leisten«, schimpfte sie.
Evelyn schüttelte den Kopf. »Margot, sieh mich an. Hör auf zu weinen und sieh mich an. Ich habe dieses Geld nicht auf dein Konto überwiesen. Das schwöre ich. Ich wünschte, ich könnte es, weil du es wirklich verdient hast. Ich gebe zu, dass ich für dich und Liza einen Scheck ausgestellt habe, den ich euch als zusätzliches Weihnachtsgeschenk geben wollte.« Sie hob abwehrend die Hand, als Margot protestieren
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