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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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wolltest. Es kommt mir so vor, als hättest du unser halbes Eheleben damit verbracht, mir irgendwelche Ausreden aufzutischen. Jetzt will ich keine mehr hören, und da wir nicht mehr verheiratet sind, brauche ich das auch nicht. Und nenn mich nicht Evie. Ich habe dich weder um Hilfe noch um Geld oder um dein Mitleid gebeten. Ich habe es nur für Garrett getan, weil unser Sohn unbedingt wollte, dass ich dich anrufe und dir sage, dass ich Krebs habe. Und das habe ich hiermit getan. Fertig.«
    Grußlos knallte ich den Hörer auf und redete mir ein, wie gut es tat, ihm einmal eins auszuwischen. Nur komisch, dass ich trotz meiner gelungenen Rache weinen musste.

22
    Abigail Burgess Wynne
    Wir sagten Evelyn und ihrem Sohn Garrett Gute Nacht und traten hinaus auf den dunklen Hof. Aus dem nächtlichen Himmel schwebten ein paar Schneeflocken herab, wie der künstliche Schnee, den sie in den Weihnachtssendungen im Fernsehen verwenden. Alle schwiegen. Ich glaube, sie standen noch immer unter Schock. Charlie war der Erste, der seine Sprache wiederfand.
    »Wieso hat sie die ganze Zeit über nichts gesagt?«, fragte er zornig.
    »Ich gehöre zwar nicht zur Familie, aber nach all den Monaten müsste sie doch eigentlich wissen, dass ich …« Er ließ den Rest des Satzes unausgesprochen, doch man brauchte nicht viel Fantasie, um ihn zu ergänzen.
    Schon seit einiger Zeit hegte ich den Verdacht, dass Charlies Gefühle für Evelyn über bloße Freundschaft hinausgingen. Anzeichen dafür gab es genug – die Art, wie er pfeifend und beschwingten Schrittes die Straße entlangging, die erlesenen Speisen, die er für sie nach ihrer Operation zubereitet hatte, ihre morgendlichen Treffen im Café. Er wirkte glücklicher, als ich ihn jemals gesehen hatte. Er lobte mittlerweile sogar seine Angestellten, ein für ihn unerhörter Vorgang. Charlie zählte nicht zu den Menschen, die leicht Freundschaften schließen. Als Gastronom führte er ein so arbeitsreiches Leben, dass ihm keine Zeit blieb, Beziehungen zu Leuten anzuknüpfen, die nicht im Gastgewerbe tätig waren. Dennoch fand er irgendwie Zeit für Evelyn. Es war offensichtlich, dass er sie sehr mochte. Im Stillen beendete ich den Satz für ihn: Warum hatte Evelyn nach all den Monaten noch nicht gemerkt, dass Charlie in sie verliebt war?
    Ich wartete einen Augenblick, weil ich dachte, Margot würde den armen Charlie trösten (darin war sie ja gut), doch sie schien in ihre eigenen Gedanken versunken.
    Da tätschelte ich Charlie ein wenig unbeholfen den Arm. »Evelyn hat zurzeit so viele Sorgen, Charlie. Ich glaube nicht, dass sie Sie aus ihrem Leben ausschließen wollte. Sie haben doch gehört, sie wollte nicht, dass wir uns ausgerechnet jetzt vor Weihnachten Sorgen machen.«
    »Na und, was macht das für einen Unterschied?« Weil er die Stimme erhob, bat ich ihn, leiser zu sprechen, damit Evelyn nichts mitbekam. Schließlich lag ihre Wohnung im ersten Stock und ging auf den Hof hinaus. »Was macht das für einen Unterschied?«, wiederholte er flüsternd, aber noch immer aufgebracht. »Ich mache mir aber Sorgen; da spielt es doch gar keine Rolle, ob Weihnachten ist oder nicht.«
    Margot, wie immer ein Muster an Vernunft, fügte hinzu: »Ich verstehe es auch nicht ganz, aber ich musste ja auch noch nie dasselbe durchmachen wie Evelyn. Das musste keiner von uns. Wer weiß, wie wir uns in einer solchen Situation verhalten würden? Vielleicht hat sie wirklich versucht, uns zu schonen, oder aber sie wollte sich der Realität nicht stellen. Wer weiß?«
    »Ich kann ihr Schweigen verstehen«, sagte ich. »Es ist ihre Privatangelegenheit. Warum sollte sie ihr Leben bis ins Kleinste mit uns teilen? Schließlich gehören wir ja nicht zur Familie.« Liza blickte mich schweigend an. Der Schnee knirschte unter den Absätzen ihrer Stiefel. Im trüben Schein einer einsamen Lampe auf der anderen Seite des Hofes konnte ich gerade noch ihr Gesicht erkennen: Es zeigte einen solchen Ausdruck von Abscheu, beinahe Hass, wie ich ihn bei ihr seit ihren ersten Wochen in New Bern nicht mehr gesehen hatte. Was um alles in der Welt hatte ich nun schon wieder falsch gemacht?
    »Nein, aber sie braucht uns genauso«, fuhr Margot fort. »Ich bin froh, dass ihr Sohn hier ist. Er scheint ein netter Mann zu sein. Aber Evelyn sagt, er muss am Montag wieder zurück nach Seattle. Und selbst wenn er noch bleiben könnte, brauchte sie unsere Unterstützung. Diesmal wird es viel schlimmer als bei der ersten Operation.«
    »Das

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