Die Fährte
zusammengehalten wurden. Es waren Hunderter.
»Auch so ein Brauch von ihnen«, sagte Sandemann.
»Von wem reden Sie da immer?«
»Wussten Sie das nicht?« Sandemann lächelte mit dünnen, nassen Lippen. »Sie stammte aus einer Zigeunerfamilie.«
Alle Tische der Polizeikantine waren besetzt mit Kollegen, die sich eifrig unterhielten. Abgesehen von einem. Harry wählte diesen Tisch.
»Mit der Zeit wirst du die Leute hier kennen lernen«, sagte er. Beate sah ihn verständnislos an, und er begriff, dass sie vielleicht mehr gemeinsam hatten, als er bislang angenommen hatte. Er setzte sich und legte eine VHS-Kassette vor sie hin. »Die ist aus dem 7-Eleven schräg gegenüber der Bank. Vom Tag des Überfalls. Sowie eine vom Donnerstag davor. Kannst du mal checken, ob du da was Interessantes findest?«
»Du meinst, ob der Täter vorher da gewesen ist?«, murmelte Beate, den Mund voller Brot und Leberwurst. Harry blickte auf ihr mitgebrachtes Lunchpaket. »Nun«, sagte er. »Man darf doch noch hoffen.«
»Natürlich«, sagte sie. Sie verschluckte sich und ihr traten Tränen in die Augen. »1993 gab es einen Überfall auf die Kreditkasse in Frogner, bei der der Täter eine Plastiktüte für das Geld mitgebracht hatte. Auf der Tüte war eine Shell-Werbung, und als wir die Überwachungskamera der nächstgelegenen Shell-Tankstelle überprüft haben, stellte sich heraus, dass der Täter die Tüte dort zehn Minuten vor dem Überfall gekauft hatte. In den gleichen Kleidern, nur ohne Maske. Eine halbe Stunde später haben wir ihn festgenommen.«
» Wir vor zehn Jahren?«, platzte es aus Harry heraus.
Beates Gesicht wechselte die Farbe wie eine Ampel. Sie schnappte sich die Brotscheibe und versuchte, sich dahinter zu verbergen. »Mein Vater«, murmelte sie.
»Tut mir Leid, ich meinte das nicht so.«
»Macht nichts«, kam es rasch.
»Dein Vater …«
»Ist umgekommen«, sagte sie, »das ist inzwischen aber schon lange her.«
Harry lauschte ihrem Kauen, während er seine Hände anstarrte.
»Warum hast du auch eine Aufnahme eine Woche vor dem Überfall?«, fragte Beate.
»Der Container«, sagte Harry.
»Was ist mit dem?«
»Ich habe den Containerservice angerufen und nachgefragt. Er wurde am Dienstag von einem Stein Søbstad in der Industrigata bestellt und direkt am nächsten Tag unmittelbar vor dem 7-Eleven abgestellt. Es gibt zwei Stein Søbstads in Oslo, und beide behaupten, diesen Container nicht bestellt zu haben. Meine Theorie ist, dass der Täter ihn dort hat abstellen lassen, um die Aussicht durch das Fenster zu verbauen, damit ihn die Kamera nicht von vorne aufnehmen konnte, wenn er nach dem Überfall die Straße überquerte. Wenn er am gleichen Tag im 7-Eleven war, an dem er den Container bestellt hat, sehen wir vielleicht eine Person, die zuerst in die Kamera blickt und dann aus dem Fenster in Richtung Bank, um den Kamerawinkel und so etwas zu überprüfen.«
»Wenn wir Glück haben, ja. Der Zeuge vor dem 7-Eleven sagte, dass der Räuber beim Verlassen der Bank noch immer maskiert war. Warum sollte er sich dann die Arbeit mit dem Container machen?«
»Vielleicht wollte er sich beim Überqueren der Straße die Maske vom Kopf ziehen.« Harry seufzte. »Ich weiß nicht, ich weiß nur, dass mit diesem grünen Container irgendetwas nicht stimmt. Der steht da jetzt seit einer Woche, und abgesehen von ein paar Passanten, die da ihren Müll reingeworfen haben, scheint ihn niemand zu brauchen.«
»O.K.«, sagte Beate, nahm die Videobänder und stand auf.
»Noch eine Sache«, sagte Harry. »Was weißt du über diesen Raskol Baxhet?«
»Raskol?« Beate runzelte die Stirn. »Er war eine Art Mythos, bis er sich selber stellte. Wenn die Gerüchte stimmen, hatte er bei neunzig Prozent aller Banküberfälle in Oslo seine Finger mit im Spiel. Ich schätze, er kennt jeden, der in dieser Stadt in den letzten zwanzig Jahren einen Banküberfall verübt hat.«
»Dafür will ihn Ivarsson also. Wo sitzt er?«
Beate zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter. »Im A-Block, gleich hinter der Grünanlage.«
»Im Botsen?«
»Ja. Und seit er da sitzt, weigert er sich, auch nur ein einziges Wort mit einem Polizisten zu wechseln.«
»Und was lässt dann Ivarsson glauben, dass er es schaffen wird?«
»Er hat endlich etwas gefunden, das für Raskol interessant sein könnte, so dass er vielleicht zu einem Handel bereit ist. Im Botsen heißt es, dass er zum ersten Mal, seit er dort ist, um etwas gebeten hat. Es geht um eine
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