Die Fahrt der Slanderscree
oberen Atmosphäre heranreichen. Es gibt Blitze, viele Blitze und Bodenwinde, die Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern pro Stunde erreichen. Kein gutes Wetter zum Drachen steigen lassen. Jedes Tier mit einem Hauch von Verstand sucht sofort Schutz zwischen Felsen oder im Eis und versucht dort durchzuhalten, bis die Sache vorbei ist.«
Es herrschte Schweigen, als seine Kollegen sich der Konsequenzen bewußt wurden, die selbst für Nicht-Tran und Nicht-Segler offenkundig waren. Man konnte in einem Wind von dreihundert Stundenkilometern weder manövrieren noch sicher auf dem offenen Eis ankern. Die einzige vernünftige Chance lag in einem geschützten Hafen. Auf dem offenen Eis gab es keinerlei Häfen.
Ein Schiff, das im Freien überrascht und von der heranbrausenden Sturmfront des Rifs erfaßt wurde, hatte nur eine einzige Chance zu überleben: Sie lag darin, die Segelfläche auf ein Minimum zu reduzieren und vor dem Wind zu laufen, hoffend, daß Segel, Masten und Besatzung so lange durchhielten, bis der Sturm vorüber war.
Die Slanderscree hatte das schon einmal getan und es übel zugerichtet überlebt. Es ein zweites Mal zu versuchen, hieße das Schicksal herausfordern. Selbst wenn sie es versuchten und es gelang, den Sturm zu überstehen, würde dieser sie – wahrscheinlich beschädigt und mit gelockerten Spanten – weit von ihrem Kurs abtreiben. Der Planet selbst schien sich verschworen zu haben, sie von ihrem Ziel abzuhalten.
Wenn sie bald sehr viel Glück hatten, würden sie durch den Eiswall kommen, alle Segel setzen und südwärts dem Sturm entfliehen. Das wäre ideal. Noch idealer, überlegte Ethan, wäre es gewesen, wenn sie die Vorschriften ignoriert und Sprengstoff mitgenommen hätten, mit dem sie sich ihren Werg durch die Druckverwerfung hätten bahnen können. Doch jetzt war nicht die Zeit für Was-wäre-wenn und Vielleicht.
Sie hatten keinen Sprengstoff, keine Strahler, keine angemessene moderne Technik. Alles, was sie hatten, waren eine Menge Muskelkraft und Entschlossenheit.
Das reichte, einen Weg durch das Packeis zu hacken – in ein paar Wochen. Sie mußten es aber innerhalb von achtundvierzig Stunden durchbrechen.
Was sie an hochtechnologisch wissenschaftlichen Geräten zur Verfügung hatten, bestand größtenteils aus Instrumenten, die messen, kalibrieren und wiegen, jedoch nicht rohe Gewalt auf ein bestimmtes Gebiet konzentrieren konnten. Zwei Kernbohrer, dazu gedacht, Proben aus dem Eis zu holen, konnten helfen. Um ihr Ziel zu erreichen, wären einhundert solcher Bohrer nötig gewesen; sie konnten zwar Eis schmelzen, aber nicht annähernd schnell genug.
Auf die alternative Lösung kamen die Tran nicht, weil sie sie als Tran gar nicht denken konnten. Ausnahmsweise war es Skua September, der das Offensichtliche aussprach, und nicht Milliken Williams.
»Mir scheint doch eins verdammt klar: Wenn wir nicht durch das Zeug hindurch können, müssen wir eben darüber hinweg.«
Ethans Gesichtsausdruck spiegelte das allseitig verblüffte Staunen wider, das dieser unbekümmerten Feststellung folgte.
7
»WILLST DU ETWA VORSCHLAGEN«, fragte Williams schließlich, »die Slanderscree in ein Flugzeug zu verwandeln?«
September zuckte mit keiner Wimper. »Etwas in dieser Richtung.«
Da es September zumindest teilweise ernst zu sein schien, ging der Lehrer darauf ein. »Selbst wenn wir noch mehr Segel setzen könnten, wäre der Wind nicht stark genug.«
»Na so was.« September gab sich nachdenklich. »Obwohl ich mich mit einem Rifs hinter uns und mit genug Segel nicht wundern würde, wenn wir die alte Schabracke doch dazu bringen könnten, zu fliegen. Sie dabei auch unter Kontrolle zu halten, ist natürlich eine andere Sache.« Er sah an Williams vorbei, bis sein Blick Snyek fand. »Wir werden diese Bohrer brauchen, die du erwähnt hast. Müssen einiges Eis schmelzen und wieder gefrieren lassen.«
»Wozu, um Himmels willen?« wollte Hwang wissen.
September grinste sie an. »Eure Kernbohrer sind nicht groß oder kräftig genug, um auch nur den halben Weg durch diesen Wall zu bahnen, aber wir können sie benutzen, um die scharfen Kanten zu glätten, wenn du weißt, was ich meine. Einige dieser uralten Eisblöcke, die die Barriere bilden, sind ziemlich groß und ziemlich stabil. Wenn wir sie irgendwie aneinander schmelzen könnten und dann begradigen und glätten, indem wir die Feinarbeit mit Eishacken und Äxten machen, könnte etwas dabei herauskommen.«
»Was, zum Beispiel?«
Er
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