Die Falken Gottes
Graf gegenüberstand.
Die beiden traten durch das Tor und sprachen mit einem Pagen, der sie in das Gebäude führte. Hier in einem Vorraum hielten sich mehrere bewaffnete Gardisten auf und zudem drei junge Männer, wahrscheinlich Studenten, die wohl darauf gehofft hatten, daß der Graf sie empfangen würde, um einen lateinischen Spruch und seine Signatur in ihre Stammbücher zu schreiben. Es gab viele dieser jungen Burschen, die aus dem ganzen Land nach Münster und Osnabrück reisten, um die Unterschriften der Gesandten des Friedenskongresses zu sammeln. Für gewöhnlich kamen die hohen Herren dieser Bitte gerne nach, und manche von ihnen nutzten diese Sprüche sogar, um gewisse Spitzen gegen andere Gesandte zu verteilen. Diesen Burschen war heute jedoch kein Glück beschieden, denn sie wurden höflich aber bestimmt von einem Kammerdiener fortgeschickt und auf den folgenden Tag vertröstet.
Magnus und Gyllenhammer wurden in den ersten Stock geleitet, in dem sich ein kleiner Saal befand, den Oxenstierna als Repräsentationsraum nutzte. Sie passierten mehrere Korridore und traten über kostbare Teppiche zum Eingang des Saales, wo sie ihre Mäntel ablegten. »Wie steht es übrigens um das Befinden Eurer werten Gemahlin?« fragte Gyllenhammer, bevor sie eintraten.
»Sie fühlt sich wohl.« Magnus mußte sich eingestehen, daß er nicht genau wußte, ob Svante sich tatsächlich auf dem Weg der Besserung befand. In der Öffentlichkeit behauptete er zumeist, daß die fremde Umgebung und der heiße Sommer seine Frau erschöpft hätten, doch der Arzt, der Svante vor zwei Wochen untersucht hatte, hatte ihm erklärt, daß die ziehenden Schmerzen in Svantes Unterleib, die gleichzeitig Erschöpfung, Reizbarkeit und Gemütsverstimmungen |55| verursachten, mit einer Entzündung der Schleimhäute in der Gebärmutterhöhle zu erklären waren. Der Arzt hatte Svante viel Ruhe und warme Sitzbäder verordnet sowie den Verzicht auf allzu schwere Speisen, um die Körpersäfte in Einklang zu bringen. Zudem hatte er Magnus zur Seite genommen und ihn darauf hingewiesen, daß der geschlechtliche Verkehr in den kommenden Wochen zu vermeiden sei. Dies bedeutete für Magnus kein großes Opfer, denn es waren ohnehin wohl an die zwei Jahre vergangen, seit er zum letzten Mal bei seiner Frau gelegen hatte.
»Seid so gut und richtet ihr meine Genesungswünsche aus«, bat Gyllenhammer. Im nächsten Moment öffnete auch schon ein weiterer Page die Tür zum Audienzsaal. Magnus und der Justizrat betraten den Raum, dessen Wände mit Ledertapeten verkleidet waren. In der Mitte befand sich eine langgestreckte Tafel, an deren Ende ein mit rotem Samt überzogener Sessel stand, der auf ein hölzernes Podest gestellt worden war, damit Oxenstierna hier ein wenig erhöht sitzen konnte und seine Gäste zu ihm aufschauen mußten. Der Graf war nicht der einzige Gesandte dieses Kongresses, der Wert auf eine solche Demonstration seines Ranges legte, wenn in den jeweiligen Quartieren verhandelt wurde. Die Versammlungen zwischen den Gesandten fanden nur selten im großen Saal des Rathauses statt. Zumeist trafen kleine Gruppen in den Residenzen zusammen, und während dieser Unterredungen gefiel sich der Hausherr für gewöhnlich in der Rolle des Souveräns, den er bei diesem Kongreß repräsentierte.
Der Graf war bislang noch nicht im Audienzzimmer eingetroffen, doch drei andere Männer hatten sich bereits an der Tafel versammelt. Einer von ihnen war Malkolm Arvidson, der den schwedischen Hauptgesandten ebenso wie Magnus und auch Gyllenhammer seit dem Beginn des Kongresses als |56| Berater in juristischen Fragen zur Seite stand. Arvidsons verkniffener Gesichtsausdruck ließ einmal mehr keinen Zweifel daran, daß er auf Magnus’ Anwesenheit an dieser Tafel liebend gerne verzichtet hätte. Wann immer sie zusammentrafen, fixierten Arvidsons Augen Magnus mit einem Ausdruck selbstgefälliger Verachtung, und Magnus fragte sich häufig, ob Arvidson nur an seiner juristischen Kompetenz zweifelte oder ob er sich ihm so ablehnend gegenüber verhielt, weil er ahnte, daß Magnus’ Anbiederung an den Grafen Oxenstierna und der Versuch, dessen Vertrauen zu gewinnen, nur eine ausgefeilte Charade war, die er zusammen mit seinem Onkel Johan Adler Salvius ersonnen hatte.
Die beiden anderen Männer waren hingegen erst am Abend zuvor in Osnabrück eingetroffen. Es handelte sich um den Geheimen Hof- und Kriegsrat Alexander Erskein und dessen Adlatus Gustav Bielka. Erskein hatte sich
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