Die falsche Frau
sich ausgiebig. »Wie Sie, Frau Doktor Rosen.«
»Und? Hatten Sie Interesse an ihr?«
»Das ist richtig«, antwortete Sartorius sachlich. »Vollkommen richtig. Aber …« Er machte eine Pause und bog die Innenfläche seiner rechten Hand nach außen. »Aber sie wollte nicht, was ja nicht unbedingt an mir liegen muss«, fuhr er fort und strich sich mehrmals über das Haar.
Sarah Rosen warf ihm einen anerkennenden Blick zu.
»Keinesfalls. Bei Ihrer Ausstrahlung!«
Genau das brauchte er jetzt. Bestätigung. Anerkennung.
»Die Frau macht auf Russin. Nannte sich Irina. Dabei ist sie eine Wienerin. Aus gutbürgerlichem Haus übrigens. Scheint ihr Studium geschmissen zu haben, um sich voll und ganz der Vögelei zu widmen. Die echten Ostfrauen ärgern sich schwarz über die. Es ging sogar das Gerücht, dass Irina von der Zeitung ist und Lebensbeichten von Huren sammelt. Die fragt ziemlich viel rum.«
»Waren Sie eigentlich gestern Abend im Orient?«, fragte Sarah beiläufig.
»Nein, ich war den ganzen Tag geschäftlich unterwegs. Hatte einen Haufen Termine … Aber warten Sie … Am Dienstag, da war ich für ein paar Stunden da. Es gab Ärger mit Irene, und das vor allen Leuten. Direkt vor dem Hotel.«
Sarah zog die Augenbrauen hoch und tat so, als ob sie davon zum ersten Mal hören würde.
»Ein Zuhälter wollte Irene mit dem Gesicht in einen Haufen Hundescheiße stecken.«
Beim letzten Satz kniff Sartorius die Lippen zusammen und versuchte zu lächeln. Wahrscheinlich hätte er Irene am liebten höchst persönlich gequält. Er trug er eine Menge Angst mit sich herum, und diese Angst war an eine Menge Maßnahmen gebunden.
Sartorius konnte zum Beispiel nur auf der rechten Seite einschlafen, um sein Herz zu schonen, wie er sagte. Und er musste sich nach dem Sex sofort waschen gehen. Er war stolz auf eine riesige Sammlung von Ölen und Seifen, die er von seinen Dienstreisen aus aller Herren Länder mitgebracht hatte. Angeblich besaß er sogar eine Sammlung von Einweckgläsern, wegen der Gummiringe, die den Geruch von Essiggurken oder Marmeladesorten angenommen hatten und sich wunderbar in seine erotischen Fantasien einbauen ließen.
»Wissen Sie noch, wie dieser Zuhälter aussah?«, fragte Sarah.
»Mein Gott, Sie stellen Fragen. Ich achte nicht so auf Männer.«
»Natürlich«, sagte Rosen. »Verzeihung.«
Marc Sartorius tastete seine Anzugtaschen ab, fand eine Packung Zigaretten und steckte sich eine an.
»Hätte einer dieser braungebrannten Fitnesstrainer sein können, die man so in Bars trifft. Schwarzblaue Haare, Scheitel. Vielleicht ein Meter fünfundachtzig, kein Gramm Fett zu viel.«
Er inhalierte tief ein und blies Ringe in die Luft.
»Und weiter?«
»Na ja, die Leute draußen waren begeistert. Die zwei haben ‘ne richtige Show abgezogen. Plötzlich steigt ein Typ aus ‘nem Taxi und Ende mit der Show. Der Zuhälter lässt die Frau los, sie hängt sich bei einem Fremden ein, und die beiden stolzieren wie ein Liebespaar ins Orient. Echt filmreif, wie in Pretty Woman. Aber wozu wollen Sie das eigentlich alles wissen?«
»Lesen Sie denn keine Zeitung?«, fragte Rosen.
»Nur die erste Seite und den Wirtschaftsteil«, sagte Sartorius.
Sarah Rosen war perplex.
»Ja, wissen Sie«, sagte sie langsam. »Irene Orlinger ist ermordet worden. Die Polizei hat mich als Fallanalytikerin eingesetzt.«
Sartorius schwieg, nahm wieder seine steife Haltung ein und warf seiner Therapeutin, mit der er in den Lift stieg, einen viel sagenden Blick zu.
»Wir sehen uns dann nächste Woche«, sagte Sarah, als sie unten angekommen waren.
Der Mann zuckte nervös mit den Achseln und verließ eilig das Haus.
Eine offene Beifahrertür winkte sie heran.
»Sehen Sie sich den Mann gut an. Das ist ein wichtiger Zeuge im Fall Orlinger«, erklärte Sarah, als sie zu Semir in den Wagen stieg.
»Tatsächlich? Was kann der denn bezeugen?«, fragte er.
»Irene Orlinger wurde am Abend vor ihrem Tod von einem schwarzhaarigen Schönling …«
»Fast in die Scheiße gesteckt«, ergänzte Semir, »und dieser Wahnsinnstyp, dieser François Satek, der hat sie gerettet und ist ziemlich sicher unschuldig.«
Sarah sah ihn verblüfft an. Woher wusste er das alles?
»Soll ich Ihnen noch was verraten, Frau Doktor? Sie waren im Knast und sind da in einem sexy Fummel angetanzt. Ganz schön raffiniert, und ich weiß sogar noch mehr.«
Semir legte eine Kunstpause ein und musterte Sarah hintergründig. Ahnte er etwa, dass sie es auf François
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