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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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nicht.«
    Was ich mir schon gedacht hatte: Jürgen Prochnik hatte mehr Geld
besessen, als er bei seiner Vorgeschichte hätte haben dürfen. Viel mehr Geld.
    Â»Von dem, was er mit seiner Klitsche verdient hat, hat er gerade mal
so leben können«, fuhr Balke fort. »In manchen Monaten hat er überhaupt keine
Umsätze gemacht. War wohl nicht gerade ein Verkaufsgenie. Ein bisschen was hat
er von seinen Eltern geerbt. Aber ich frage mich schon, wie er sich dann auf
einmal dieses Haus kaufen konnte – dreihundertachtzigtausend hat er dafür
hingelegt –, und anschließend hatte der Bursche immer noch fast zwei Millionen
auf der Bank …«
    Â»Ich dachte, es wäre weniger?«
    Â»Die Finanzkrise hat ihn auch voll erwischt. Er hatte einiges in
amerikanischen Immobilienfonds …«
    Balke brach ab, schwieg für einen Augenblick mit gesenktem Blick.
Dann sah er auf.
    Â»Ich hab mal ein bisschen recherchiert: In den zwei Jahren, nachdem
Prochnik sich in Rastatt niedergelassen hatte, gab’s eine Serie von
Banküberfällen, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Insgesamt sechs Fälle, die
alle nach demselben Schema abgelaufen sind. Alle in der östlichen Hälfte
Frankreichs, Nancy, Metz, Épinal. Jedes Mal dieselben Täter, ein Mann und eine
Frau, beide relativ jung. Die Täterbeschreibungen könnten hinkommen. Die beiden
waren maskiert, sind immer mit einem Motorrad vorgefahren, haben, wo es nötig
war, Löcher in die Decke geschossen, ihre Beute gegriffen und Abgang. Das
Motorrad hatten sie jedes Mal kurz vorher geklaut und nach wenigen Kilometern
stehen lassen.«
    Â»Wann genau war das?«
    Â»Von Ende fünfundachtzig bis Anfang siebenundachtzig. Danach war
schlagartig Schluss. Beute über den Daumen zwanzig Millionen Francs. Die
Franzosen sind schon damals von einem terroristischen Hintergrund ausgegangen.
Und man hat früh vermutet, dass die Täter aus Deutschland kamen. Das war aber
auch schon alles, was sie rausgefunden haben.«
    Ich meinte, Helena Guballas Ohren wachsen zu sehen. Ich nahm die
Brille ab und rieb mir die Augen. »Prochnik bleibt der harmlose
Immobilienmakler, Judith Landers geht in den Untergrund …«
    Â»Judith spricht kein Französisch«, warf die Zielfahnderin leise ein.
    Â»Es hat auch immer nur der Mann geredet«, sagte Balke.
    Â»Waren sie die ganze Zeit in Kontakt?«, fragte ich mich selbst.
»Wohl kaum.«
    Â»Sie könnten sich irgendwo getroffen haben«, schlug Balke vor. »Ganz
zufällig. So was kommt vor.«
    Â»Ich denke nicht, dass Judith in den letzten Jahren in Europa war«,
sagte Helena Guballa. »Sie steht immer noch auf den Fahndungslisten.«
    Â»Vielleicht hat sie ihn gezielt kontaktiert, um ihn für ihre Zwecke
einzuspannen?«, schlug Balke vor.
    Â»War Prochnik eigentlich nie verheiratet?«, fragte ich. »Hat er nie
mit jemandem zusammengelebt?«
    Â»Soweit ich bisher weiß, nein.« Balke unterdrückte ein Gähnen und
sah auf die Uhr. »Aber wir wissen noch lange nicht alles. Bevor er sich das
große Haus gekauft hat, hat er in einem kleinen Reihenhaus in Kuppenheim
gewohnt. Dort suche ich momentan nach ehemaligen Nachbarn, die mir was über ihn
erzählen können. Freunde scheint er nicht gehabt zu haben. Fast jeder, der mit
ihm zu tun hatte, fängt sofort an zu lästern, wenn er seinen Namen hört.«
    Â»Sprengstoff«, sagte ich zu Helena Guballa, als wir wieder
allein waren. »Wäre das ihr Stil?«
    Â»Aber ja.« Sie tippte einen Satz zu Ende, wandte sich mir mit der üblichen
ernsten Miene zu, legte die kleinen, weichen Hände auf die Knie ihrer braunen
Cordhose. »Judith hat mehrfach Explosivstoffe eingesetzt.«
    Â»Würden Sie mir ein bisschen mehr von ihr erzählen? Bisher weiß ich
nur, dass sie in Heidelberg aufgewachsen ist und eine gute Schülerin war und
später bei der RAF gelandet ist.«
    Â»Neunzehnhundertachtzig macht sie Abitur als Drittbeste ihres
Jahrgangs. Ihre Eltern haben lange auf diesen Tag hingefiebert und spendieren
ihr ein kleines Auto – den roten Fiat. Von ihrer Oma bekommt sie zweitausend
Mark geschenkt, und außerdem hatte Judith schon lange für ihre große Reise
gespart. Anfang August bricht sie auf. Wo sie überall war, ist nicht belegt. In
Indien mit Sicherheit, in Pakistan wahrscheinlich, in Indonesien vielleicht.
Ende Oktober

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