Die falsche Tochter - Roman
rang sich ein leises Lächeln ab. »Es war Elliot, der mich von der Tablettenabhängigkeit heilte, indem er dafür sorgte, dass ich ständig beschäftigt war. Wir kauften Antiquitäten, gingen ins Theater, und wann immer er es ermöglichen konnte, fuhren wir aufs Land.« Sie zog seine Hand an die Wange. »Er hat mich aus dem Loch geholt.«
»Deine Mutter hatte das Gefühl, die Fehlgeburten seien ihre Schuld.«
»Du musst wissen, dass ich auf dem College ziemlich viel Pot geraucht habe.«
Callie lachte unwillkürlich auf. »Meine Güte, Mom, du warst ja eine ganz Wilde!«
»Na ja, so war das damals eben.« Vivian wischte sich die
Tränen ab und lächelte mit bebenden Lippen. »Einmal habe ich sogar LSD genommen.«
»Okay, damit wäre ja alles erklärt. Du hast nicht zufällig auch jetzt ein bisschen Gras im Haus?«
»Nein, natürlich nicht!«
»Na ja, dann müssen wir das hier eben ohne Rausch überstehen.« Callie tätschelte ihrer Mutter das Knie. »Du warst also ständig bekifft. Hab schon verstanden.«
»Du willst es mir nur leichter machen.« Vivian lehnte den Kopf an Elliots Schulter. »Sie ist genauso stark wie du. Wie auch immer, ich wollte es noch einmal mit einer Schwangerschaft versuchen. Elliot hätte zwar gerne noch etwas gewartet, aber ich war fest entschlossen und wollte auf niemanden hören. Vermutlich war ich förmlich davon besessen. Wir haben deswegen sogar gestritten.«
»Ich habe mir Sorgen um die physische und emotionale Gesundheit deiner Mutter gemacht.«
»Er schlug vor, wir sollten ein Kind adoptieren, und brachte mir Informationsmaterial mit. Aber ich wollte davon nichts wissen. Ich hatte so viele schwangere Frauen, so viele Mütter mit Babys gesehen und dachte, dass ich es auch schaffen müsste. Alle meine Freundinnen hatten Kinder. Sie bemitleideten mich, und das machte alles nur noch schlimmer.«
»Ich konnte es nicht ertragen, dass sie so unglücklich war. Ich konnte es einfach nicht ertragen.«
»Also wurde ich wieder schwanger. Ich war so glücklich. Mir war häufig furchtbar übel, genau wie bei den beiden Malen zuvor. Aber dieses Mal war ich vorsichtig, und als mir der Arzt sagte, ich müsse strikte Bettruhe einhalten, legte ich mich sofort hin. So überstand ich die ersten drei Monate, und es sah alles ganz gut aus. Ich spürte sogar schon die Bewegungen des Kindes. Weißt du noch, Elliot?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Ich kaufte Umstandskleider, und wir begannen, das Kinderzimmer einzurichten. Ich las ganze Berge von Büchern über Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung. Als ich bereits
im siebten Monat war, gab es auf einmal Probleme mit meinem Blutdruck, und ich musste ins Krankenhaus. Aber trotzdem schien alles in Ordnung zu sein, bis …« Vivian brach ab.
»Wir gingen zur Untersuchung«, erzählte Elliot weiter. »Es war kein Herzschlag mehr zu hören, und es stellte sich heraus, dass der Fötus gestorben war.«
»Ich habe den Ärzten nicht geglaubt. Ich wollte es einfach nicht glauben, obwohl ich schon gemerkt hatte, dass sich das Baby nicht mehr bewegte. Ich las noch mehr Bücher und plante weiter. Elliot durfte kein Wort darüber sagen – ich geriet außer mir, wenn er es erwähnte.«
»Dann wurden die Wehen eingeleitet.«
»Es war ein kleines Mädchen«, sagte Vivian leise. »Eine Totgeburt. Sie war so wunderschön. So winzig. Ich hielt sie im Arm, und für eine Weile redete ich mir ein, sie schliefe nur. Aber ich wusste, dass das nicht stimmte, und als man mir das Baby schließlich wegnahm, brach ich zusammen. Ich nahm wieder Tabletten, um es durchzustehen. Ich … ich stahl deinem Vater Rezepte, um mir Beruhigungsmittel besorgen zu können. Dadurch war ich tagsüber völlig benebelt und schlief in den Nächten wie eine Tote. Am liebsten hätte ich alle Tabletten auf einmal genommen, um zu sterben.«
»Mom!«
»Deine Mutter hatte eine schwere Depression. Die Totgeburt, die Hysterektomie. Sie hatte ja nicht nur ein weiteres Kind verloren, sondern auch jegliche Hoffnung, jemals noch einmal schwanger zu werden.«
Wie alt ist sie damals wohl gewesen?, fragte sich Callie. Sechsundzwanzig? Auf jeden Fall viel zu jung, um die Hoffnung zu verlieren. »Es tut mir so Leid, Mom«, sagte sie leise.
»Die Leute schickten Blumen«, fuhr Vivian fort. »Es war furchtbar. Ich schloss mich im Kinderzimmer ein, faltete immer wieder die kleinen Kleidungsstücke, die ich für das Baby gekauft hatte. Wir nannten es Alice. Ich weigerte mich, auf den Friedhof zu
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