Die falsche Tochter - Roman
konnte sich nur noch verschwommen an den Besuch erinnern.
Mittlerweile blitzte und donnerte es zwar nicht mehr, aber der Regen prasselte noch mit unverminderter Wucht vom Himmel. Callie schlüpfte aus dem Auto und rannte zur Haustür, die sofort geöffnet wurde.
Suzanne trug eine schmale schwarze Hose und eine hellblaue, taillierte Bluse. Sie hatte sich sorgfältig geschminkt und frisiert und war barfuß. Neben ihr stand ein großer schwarzer Labrador, dessen Schwanz wie ein Metronom an die Wand schlug.
»Bitte, kommen Sie herein. Sie werden ja ganz nass. Sadie ist harmlos, aber ich kann sie auch wegsperren, wenn Sie möchten.«
»Nein, das ist nicht nötig.« Callie ließ den Hund an ihrem Handrücken schnuppern und kraulte ihn zwischen den Ohren. »Was für ein hübscher Hund!«
»Sie ist drei und ein bisschen ungebärdig, aber ich bin froh, dass sie da ist. Ich lebe zwar gerne hier draußen, aber mit Sadie fühle ich mich doch ein bisschen sicherer. Allerdings ist sie so freundlich, dass sie einen Verbrecher vermutlich höchstens zu Tode lecken würde, wenn … Verzeihen Sie, ich plappere dummes Zeug.«
»Nein, ist schon okay.«
Suzanne beobachtete, wie Callie verlegen den Hund streichelte. »Wir müssen miteinander reden«, sagte sie schließlich.
»Ja, natürlich. Ich habe Kaffee gekocht.« Suzanne führte Callie ins Wohnzimmer. »Ich bin so froh, dass Sie angerufen haben, weil ich nicht genau wusste, was ich als Nächstes tun sollte.« Sie blieb am Sofa stehen und drehte sich um. »Ich weiß es ehrlich gesagt immer noch nicht.«
»Meine Eltern –« Callie brach ab. Sie kam sich plötzlich schrecklich illoyal vor, als sie in Suzannes hübschem Wohnzimmer Platz nahm und der große, freundliche Hund sich anbetend vor ihre Füße legte.
»Sie haben mit ihnen gesprochen?«
»Ja. Ich bin im Dezember 1974 adoptiert worden. Es war eine private Adoption. Meine Eltern sind anständige, gesetzestreue und liebevolle Menschen. Mrs Cullen …«
»Bitte nennen Sie mich nicht so.« Suzanne ergriff die Kaffeekanne und schenkte ihnen Kaffee ein, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Könnten Sie … würden Sie mich wenigstens Suzanne nennen?«
»Es war eine private Adoption«, wiederholte Callie. »Meine Eltern engagierten einen Anwalt, der ihnen vom Gynäkologen meiner Mutter empfohlen worden war. Er beschaffte ihnen sehr schnell und für ein beachtliches Honorar ein kleines Mädchen und gab ihnen über die leibliche Mutter nur sehr wenige Informationen.«
»Sie haben mir doch gesagt, Sie seien nicht adoptiert«, unterbrach Suzanne sie. »Sie wussten es also gar nicht?«
»Meine Eltern hatten ihre Gründe, warum sie es mir nicht erzählt haben. Gründe, die nur mit ihnen etwas zu tun haben. Ganz gleich, in welcher Situation wir uns befinden, Sie müssen vor allen Dingen verstehen, dass meine Eltern nichts Unrechtes getan haben.«
Jetzt zitterten Suzannes Hände doch ein wenig. »Sie lieben sie sehr, nicht wahr?«
»Ja. Auch das müssen Sie verstehen. Wenn ich das Kind bin, das Ihnen gestohlen wurde …«
»Sie wissen, dass Sie es sind.« Jessica. Meine Jessie . Suzanne kämpfte gegen die Tränen an.
»Es wäre denkbar, aber wissen können wir es nicht. Es gibt Tests, mit denen man es feststellen könnte.«
Suzanne atmete tief ein. Ihre Haut glühte. »Und Sie wären bereit, sich solchen Tests zu unterziehen?«
»Ich werde alles tun, um die Wahrheit herauszufinden. Das bin ich Ihnen schuldig. Aber ob ich Ihnen mehr geben kann als das, weiß ich nicht. Es tut mir Leid.« Callies Herz klopfte heftig, als sie die Tränen in Suzannes Augen sah. »Es ist für uns alle schwer. Aber selbst wenn ich dieses Kind wäre, so bin ich doch heute eine andere.«
»Ich werde die Tests machen lassen«, sagte Suzanne mit tränenerstickter Stimme. »Und Jay, Ihr … mein Ex-Mann auch. Ich rufe ihn an. Wie lange wird es dauern, bis wir es definitiv wissen?«
»Mein Vater ist Arzt, er kann die Untersuchung durchführen.«
»Wie soll ich mir sicher sein, dass er die Ergebnisse nicht verfälscht?«
Ein Anflug von Unmut glitt über Callies Gesicht. »Weil er der ist, der er ist. Entweder Sie vertrauen mir, oder wir lassen es bleiben. Ich habe die Informationen dabei.« Sie zog ein Blatt Papier aus der Tasche und legte es auf den Wohnzimmertisch neben das Tablett mit dem Kaffee und den Plätzchen. »Hier steht, was Sie tun und wohin Sie die Blutproben schicken müssen. Sollten Sie Fragen haben, so kann sie auch Ihr
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