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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sie alle Hoffnungen, welche die Reformisten vorher etwa gehegt hatten.
    Die Kämpfer alle, welche nicht das Schlachtfeld bedeckten, mußten so eilig flüchten, daß es gar nicht möglich wurde, ihnen einen Befehl zur Wiedersammlung zu ertheilen.
    William Clerc sah sich gezwungen, in Begleitung des nur leicht verwundeten André Farran quer hinein ins Land zu entweichen. Nur unter tausend Gefahren gelang es beiden Männern, welche nicht das Mindeste von dem Schicksal de Vaudreuil’s und Vincent Hodge’s wußten, die Grenze zu überschreiten.
    Und was sollte aus Clary de Vaudreuil werden in jenem Hause von St. Denis, wo sie auf Nachrichten wartete? Hatte sie von den Repressalien der Loyalisten nicht Alles zu fürchten, wenn es nicht auch ihr gelang zu entfliehen?
    Das waren die Gedanken Johanns, als er sich im Hintergrunde der kleinen Kirche verbarg. Hatte Herr de Vaudreuil auch das Bewußtsein noch nicht wieder so erlangt, fühlte man doch den, wenn auch schwachen Schlag seines Herzens. Bei sorgsamer Pflege konnte er wohl gerettet werden, doch wo und wie würde er diese finden?
    Hier galt kein Zögern, er mußte den Verletzten noch diese Nacht nach dem geschlossenen Hause schaffen.
    Letzteres lag nicht weit entfernt, höchstens einige hundert Schritte, wenn er die Hauptstraße des Fleckens hinunterging. In der Dunkelheit, wenn die Soldaten Whiterall’s St. Charles wieder geräumt, oder wenn sie Nachtquartier bezogen haben würden, wollte Johann ihn aufnehmen und in dem Hause seiner Mutter unterbringen.
    Seiner Mutter!… Herr de Vaudreuil bei Bridget!… Bei der Gattin Simon Morgaz’!… Und wenn er nun jemals hörte, unter wessen Dach er ihn geschafft hatte…
    Und doch, war er, der Sohn Simon Morgaz’, nicht Gast der Villa Montcalm gewesen?… Er nicht der Waffengefährte des Herrn de Vaudreuil geworden?… Hatte er diesen nicht aus den Klauen des Todes gerettet?… War es denn wirklich so schlimm für Herrn de Vaudreuil, sein Leben der Pflege einer Bridget Morgaz zu verdanken?
    Er sollte das übrigens nicht erfahren und Niemand das Incognito errathen, in welches sich die unglückliche Familie hüllte.
    Nachdem er seinen Beschluß gefaßt, hatte Johann nur noch die gelegene Zeit zur Ausführung – einige Stunden später – abzuwarten.
    Dann flogen seine Gedanken nach dem Hause in St. Denis, wo Clary die Niederlage der Patrioten erfahren sollte und, wenn sie ihren Vater nicht wiederkehren sah, vermeinen mußte, daß auch dieser gefallen sei. Doch würde es wohl möglich sein, sie zu benachrichtigen, daß Herr de Vaudreuil nach dem geschlossenen Hause geschafft worden war, und sie selbst den Gefahren zu entziehen, die ihr in jenem der Rache der Sieger preisgegebenen Flecken drohten?
    Derlei Befürchtungen lasteten gar schwer auf Johann, neben der Qual, welche der letzte, für die nationale Sache so schreckliche Vorfall ihm bereitete. Jede Hoffnung, die man nach dem Siege bei St. Denis zu hegen berechtigt schien, Alles, was derselbe unmittelbar zu bewirken versprach, nämlich die Erhebung der Grafschaften, die Ausbreitung des Aufstandes über das Thal des Richelieu und des St. Lorenzo, die Brachlegung der königlichen Truppen, die Wiedererlangung der Unabhängigkeit, wobei Johann das Unrecht, welches der Verrath seines Vaters dem Lande zugefügt, wieder gut zu machen geglaubt hatte… Alles war verloren… Alles!
    Alles?… Gab es denn keine Möglichkeit, den Kampf noch einmal aufzunehmen? Wäre der Patriotismus im Herzen der französischen Canadier getödtet gewesen, weil wenige Hundert Patrioten bei St. Charles schon mit dem Leben gezahlt hatten?… Nein! Johann konnte sein Werk nicht aufgeben… Er mußte kämpfen bis zum Tode.
    Obgleich es schon recht dunkel war, erscholl in dem Flecken doch noch immer das Hurrah der Soldaten und tönte der Schmerzensschrei der Verwundeten durch die von den Flammen erhellten Straßen; nachdem die Feuersbrunst das Lager zerstört, hatte sie sich nämlich den benachbarten Gebäuden mitgetheilt, ohne daß Jemand hätte sagen können, wo sie wieder erlöschen würde. Wenn sie nun bis zum Ausgang des Fleckens weiterfraß… Wenn auch das geschlossene Haus zerstört und Johann weder seine Mutter noch deren Wohnstätte wieder fand?…
    Diese Angst drohte ihn fast zu lähmen. Er selbst konnte ja durch das Land entfliehen, konnte die Waldmassen der Grafschaft erreichen und während der Nacht entkommen. Vor Tagesanbruch würde er für seine Person in Sicherheit sein. Doch was sollte

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