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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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habe?
    »Er hat die Tochter mir gegenüber nie erwähnt. Nur die drei Söhne.«
    »Sie haben Rut Brandt zu ihrem achtzigsten Geburtstag einen berührenden Brief geschickt. Sie haben geschrieben, dass Rut Brandt ein Glücksfall für uns Deutsche wäre und ein Vorbild!«
    »Ja, das war sie auch!«
    »Können Sie mir das bitte erklären und ihren Charakter umreißen?«
    »Der Titel ihres Buches ›Freundesland‹ ist der Anfang der Erklärung. Sie war eine Dame, ohne es sein zu wollen. Eine wunderbare Frau.«
    Jetzt fragt er mich, ob die Söhne ihrer Mutter etwas vorwerfen? Jetzt geht es los, die Prüfung, das Abitur.
    »Nein.«
    Ob denn die Söhne vorwurfsvoll an ihren Vater denken, will er wissen.
    »Sie haben sich ausgesöhnt, die Söhne sehen ihren Vater mittlerweile in einem viel milderen Licht.«
    Bin ich ein hochstapelnder Familiensprecher?
    »Ja ja, das steht ihnen auch zu. Die sind jetzt auch 50 oder 60 Jahre alt. Wie alt sind die Kinder?«
    »Ninja ist 72, Peter ist 63, Lars ist 61 und Matthias ist 51.«
    »Ja, da wird man langsam weise.«
    Er wirkt entspannt und unruhig zugleich. Er schnupft, reibt sich kräftig die Nase ein mit dem braunen Pulver. An der rechten Hand trägt er zwei Ringe, den Ring seiner verstorbenen Frau.
    »Was hat er über Rosa Luxemburg gesagt?«
    »Brandt?«
    »Ja!«
    Ich weiche aus. Er stellt eine weitere Frage zu Kurt Schumacher, ob mir da neue Erkenntnisse vorlägen. Ich passe. Ich bringe die Sprache auf Helmut Schmidts Besuch in Auschwitz, auf Brandts Kniefall in Warschau. Nein, er habe nicht darüber nachgedacht, warum Brandt nie in Auschwitz war. Über den Kniefall habe er mit Brandt vielleicht gesprochen, aber er erinnere sich nicht mehr genau, er vermutet, dass das dem Kanzler auch nicht sehr willkommen gewesen sei. Ja, er habe Brandt auch als depressiven Menschen erlebt, aber das sei keinesfalls ein Hinderungsgrund, Kanzler zu werden, schließlich sei er auch Kanzler geworden, obwohl er herzkrank gewesen sei. Ich versenke meine Zigarette in dem großen Aschenbecher mit Drehscheibe.
    »Wie viele Zigaretten haben Sie geraucht in Ihrem Leben?«
    »Millionen!«
    Schmidt lächelt.
    Er blickt auf die Uhr. Er schnaubt, aber ja, er pfeift auch irgendwie, spitzt die Lippen, so als freue er sich auf etwas. Um 16 Uhr müsse er weg. Seine Finger beginnen unruhig auf dem Tisch zu trommeln, keineswegs unfreundlich, aber doch unübersehbar. Muss mich von den Details losreißen.
    »Hat sich Brandt im politischen Diskurs mitunter zu sehr von seinen Gefühlen steuern lassen?«
    »Er war ein Meister in der Fähigkeit, Dinge anzudeuten, ohne sie klar auszusprechen. Die konnte man so verstehen, man konnte sie aber auch so verstehen. Das machte er fabelhaft. Ich hatte mehr mit den Tatsachen und er hatte mehr mit den Hoffnungen zu tun.«
    »Sie haben, wie mir scheint, immer ein Korrektiv zu Politik gehabt, die Musik und die bildende Kunst. Brandt haben solche Gebiete gefehlt. Hat er seine Rolle in der Geschichte deshalb als wichtiger erachtet als Sie?«
    »Ich war 1972 bereit, aus der Politik auszuscheiden. Da gab es eine Auseinandersetzung zwischen Brandt und mir. Brandt sagte zu mir: ›Wir machen dann die nächsten 4 Jahre gemeinsam!‹ Und ich habe ihm widersprochen. Ich wollte raus aus der Politik, ich hatte keine Altersversorgung. Und ich war selbstbewusst genug, um anzunehmen, dass mir schon jemand einen anderen Lebensweg eröffnen oder anbieten würde. Ich wäre kein Musiker, kein Maler geworden oder Architekt, dazu war es viel zu spät. Es waren alles kleine Begabungen, über die ich verfügte. Ich wäre wahrscheinlich Universitätspräsident oder Manager geworden.«
    »Als Sie Willy Brandt kurz vor seinem Tod das letzte Mal in Unkel besuchten, sind Sie als Freunde geschieden, so haben Sie es in ihrem Buch ›Weggefährten‹ beschrieben. Sind Sie ein gläubiger Mensch?«
    »Nicht mehr. Das war ich einmal, das bin ich nicht mehr.«
    »Haben Sie mit Brandt in diesem Moment des Abschiedes über etwas gesprochen, was über die Welt hinausgeht?«
    »Das würde mich sehr wundern. Ich weiß nicht mehr, worüber wir gesprochen haben, aber das würde mich sehr wundern. Ich weiß auch nicht, wie lange der Besuch gedauert hat. Brandt lag und ich saß neben seinem Bett.«
    »Sind Sie mit einem Händedruck von Willy Brandt geschieden?«
    »Das nehme ich an, mit einem Händedruck. Womit sonst?«
    »Mit einer Umarmung?«
    »Das ist durchaus denkbar. Vielleicht mit einer angedeuteten Umarmung. Er lag

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