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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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erste gemeinsame Weihnachtsfest in Stockholm, ein kleiner Tannenbaum mit norwegischer Fahne, später die Tochter auf den Schultern des Vaters, der in einem Demonstrationszug am 1. Mai mitläuft, viele Bilder von gemeinsamen Sommertagen.
    Das Gefühl, von ihm verlassen worden zu sein, hat nie Fuß gefasst, weil sie seine dauerhafte Präsenz nie kannte, denn selbst als die Eltern noch zusammen waren, war er fast immer unterwegs. Wie ihr Vater ist auch sie ohne Vater aufgewachsen, denn ihre Mutter hat nach der Trennung von Willy Brandt nicht wieder geheiratet und ging auch keine andere dauerhafte Beziehung ein, aus der eine Vaterfigur hätte erwachsen können. Doch sosehr ich auch frage und diese Leerstelle umkreise, Ninja hat diese frühkindliche Erfahrung nicht als Stigma erlitten, sie hat nicht ein Leben lang gehadert wie ihr Vater, der das Schamgefühl, ein uneheliches Kind gewesen zu sein, nie ganz abgelegt hat. Ja, es war ungewöhnlich, dass der Vater fehlte, dass die Eltern geschieden waren, aber es scheint, soweit ich Einblick nehmen kann, kein Trauma daraus geworden zu sein.
    »Dass Willy Brandt eine Tochter aus erster Ehe hat, ist einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt. Auch in den Brandt-Biographien erfährt man wenig über Sie. Wann sind Sie geboren?«
    »Ich wurde am 30. Oktober 1940 in Oslo geboren. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon in Schweden auf der Flucht vor den Nazis.«
    »Wissen Sie, wie Ihre Eltern Ihren Namen gefunden haben? War Ihr Vater beteiligt?«
    »Mein Name bedeutet auf Spanisch ganz einfach Mädchen, niña, so ein Schnörkel über dem n. Mein zweiter Name ist Carlota, wie meine Mutter. Angeblich hat mein Großvater Gustav Thorkildssen meinen Namen ins Spiel gebracht. Er war ein norwegischer Ingenieur, der für eine deutsche Firma arbeitete, die um die Jahrhundertwende in aller Welt Seilbahnen baute. Er hatte in Mexiko und Spanien gelebt und gearbeitet, und dort rufen sie die Mädchen niña. Das gefiel ihm und meiner Mutter gefiel das auch.«
    »Ich las, Sie hätten deutsche Vorfahren?«
    »Meine Großmutter Janina Zeggel, die in Chicago zur Welt kam, war das Kind deutscher Auswanderer. In Mexiko hat sie dann meinen Großvater kennengelernt.«
    »Sind Sie getauft worden?«
    »Ja, ich wurde in Stockholm getauft. Mein Vater hatte inzwischen den Umzug organisiert.«
    »Willy Brandt wurde ja 1941 von den schwedischen Behörden verhaftet, weil man ihn für einen Spion hielt.«
    »Ja, die Lage war unsicher in den Kriegszeiten, deshalb hat mich meine Mutter auch taufen lassen. Sie war sonst nicht sehr religiös, aber so wurde ich ins Kirchenbuch eingetragen, und das gab meiner Mutter Sicherheit, weil sie fürchtete, dass wir getrennt werden könnten. Der Pfarrer kam zu uns nach Hause in Hammarbyhöjden …
    »Ein Stadtteil von Stockholm?«
    »Ja, er kam zu uns nach Hause, und weil die norwegischen Flüchtlinge keine schönen Schüsseln aus Silber oder Glas besaßen, wurde eine simple Rührschüssel als Taufbecken benutzt. Das war am 11. Oktober 1941, ich weiß es noch, weil es auf meinem silbernen Kinderlöffel eingraviert ist.«
    Als ich am Abend dieses ersten Tages in mein Hotel fahre, dämmert es bereits. Wir sind für den nächsten Morgen verabredet. Meine Unterkunft ist spartanisch, kostet aber so viel wie in Berlin ein gehobenes Hotel. Ein ehemaliges Armeequartier, in dem die norwegische Armee immer noch ihre Soldaten unterbringt. Als ich morgens auf den Flur trete, sitzen ein halbes Dutzend junger Männer in dunkelblauer Uniform auf dem spiegelblanken Linoleumboden und füttern ihre Smartphones, sie blicken kaum auf, als ich mir einen Weg durch den Beinwald bahne. Draußen ist der Herbst in die Stadt eingezogen. Kräftiger Wind stülpt die Regenschirme um.
    Vor Ninja Frahms Tür sitzt die Katze und begehrt Einlass. Ninja kocht einen Tee und bietet mir das »Du« an, das sei in Norwegen üblich, hier duzt jeder jeden, ein egalitärer Zug der norwegischen Gesellschaft, die wenig gibt auf hochtrabende Formen. Als Ninja in den siebziger Jahren einmal einen Brief an ihren Vater liest, in dem er mit allen möglichen Ehrentiteln bedacht wird, ist sie befremdet. Der Name hätte es doch auch getan, wozu die Titel?
    Anders als ihre Brüder spricht Ninja immer von ihrem »Vater«, während die Söhne, in erster Linie Peter und Matthias, oft von »Willy« sprechen, weil sie ihn nicht nur als Vater kennen, sondern auch als kollektive Figur, die sie mit anderen zu teilen haben. Ninja hat

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