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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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Wintergarten zum Essen. Ninjas Mann Knut, ein Bauingenieur, der mittlerweile im Ruhestand lebt, ist für einige Tage zur Hütte gefahren, die seine Frau nach Ruts Tod von Peter, Lars und Matthias erworben hatte. So bleibt dieser Ort, an dem die Familie Brandt über Jahrzehnte zusammenfand, wo der Kanzler Urlaub machte und der Spion ihm über die Schulter schaute, in der Familie.
    Wir sprechen über Ninjas Mutter Carlota. Nach dem Abitur ist sie als junges Mädchen nach Paris gegangen, wo sie zunächst als Au-Pair-Mädchen arbeitete, ehe sie nach einigen Jahren bei der Société des Nations, dem Völkerbund, angestellt wurde. Als sie nach Norwegen zurückkehrte, arbeitete sie in den dreißiger Jahren als Sekretärin am Institut für vergleichende Kulturforschung. Ihre Mutter, sagt Ninja, sei im Rückblick selbst ein bisschen erstaunt und beeindruckt gewesen, dass sie sich in so jungen Jahren ganz allein und ohne Hilfe ins Ausland gewagt habe. Gleich nach dem Krieg hat sie aus eigener Initiative eine literarische Agentur aufgebaut, die mit Übersetzungsrechten handelte, vor allem für amerikanische und englische Literatur. Carlota Thorkildssen vertrat ausländische Autoren und vermittelte ihre Manuskripte an norwegische Verlage. Sie spielte bis zu ihrem Tod eine wichtige Rolle in der literarischen Welt in Norwegen.
    Wir wechseln den Tisch. Üblicherweise zieht man in Norwegen die Schuhe im Haus aus. Plötzlich ein Stich. Ein Holzsplitter. Dielenboden. Tja, sagt Ninja, die ein Arsenal von Pinzetten besitzt, das passiert. Die Norweger scheinen ein Volk zu sein, das mit den Splittern seinen Frieden gemacht hat. Wer zu Hause den Fuß vorsichtig aufsetzt, wie geht der durch die Welt?
    Ninja fällt die Schule leicht. Wir nehmen alte Briefe in die Hand. Sie macht ihr Abitur als Klassenbeste. Ihr gerührter Vater schreibt ihr daraufhin am 22. Juni 1959: »Liebe Ninja, vielen Dank für den Brief mit der Nachricht, dass Du einen sehr schönen Abschluss der zwölften Klasse gemacht hast. Ich danke Dir herzlich! Aber damit es nicht nur ›schöne Worte‹ bleiben, lege ich einen Geldschein bei, den Du wechseln kannst, verfahre, wie Du möchtest, oder benutze ihn für Einkäufe diesen Sommer in Berlin. Du schreibst, dass Du überlegst, Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren, aber dass Du Dir noch nicht ganz sicher bist. Für mich ist es leider sehr schwer, Rat zu geben – wegen des Abstandes und überhaupt. Du musst selbst versuchen herauszufinden, was für Dich das Richtige ist. Die Entscheidung hat ja eine gewisse Bedeutung dafür, wie sich Dein Leben weiter entwickeln wird.«
    Ninja beginnt ein naturwissenschaftliches Studium, da sie in diesen Fächer besonders gut ist, doch nach einem Semester verliert sie das Interesse an der Materie. Sie möchte mehr dem Leben, den Menschen zugewandt arbeiten. Nachdem sie an ihrer ehemaligen Grundschule hospitiert hat, entscheidet sie sich für ein Studium an einer pädagogischen Hochschule. Ihr Vater bestärkt sie, an ihrer Wahl festzuhalten, sich nicht beirren zu lassen. Er schreibt am 20. Mai 1960: »Es ist eine wichtige Entscheidung für Deine Zukunft, die Du jetzt getroffen hast. Wenn Du selbst meinst, dass die Entscheidung richtig ist, werden alle anderen sie respektieren müssen. Ich werde jedenfalls nicht zu denen gehören, die eventuell meinen, dass Du »aufgegeben hast«. Das Wichtigste ist, dass Dir die Arbeit, die Du machst, gefällt. Außerdem braucht man in Norwegen, so wie in anderen Ländern, gute Lehrer … Also: Viel Glück!!«

    Da Telefon klingelt. Es ist Janina. Sie erwartet ihr erstes Kind. Es gibt viel zu bereden zwischen Mutter und Kind.
    »Du bist dann Lehrerin geworden?«
    »Ja, ich habe mehr als 40 Jahre in diesem Beruf gearbeitet und es eigentlich nie bereut!«
    »Bist du einer Schule treu geblieben?«
    »Ich habe in verschiedenen Regionen in Norwegen gelebt und deshalb ein sehr spannendes Berufsleben gehabt. Ich arbeitete in Nord- und West-Norwegen auf dem Land in ganz kleinen Schulen, aber eben auch in größeren Schulen in Lillehammer, in Melhus außerhalb von Trondheim und schließlich in meiner Heimatstadt Oslo, mit Kindern von der ersten bis zur neunten Klasse. Die letzten 15 Jahre waren besonders schön, weil ich mich der Montessori-Pädagogik gewidmet habe und am Aufbau von zwei Schulen beteiligt war. Sie gehörten zu den ersten Montessori-Schulen überhaupt in Norwegen. Eine dieser Schulen habe ich auch einige Jahre geleitet.«
    Es sind

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