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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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zurief: »Ich nenne jetzt keine Namen, aber Sie wissen, was ich meine. Ich bin nicht davon überzeugt, daß alle Kriegsorden, vor allem auch alle hohen Kriegsorden, etwa nur die Belohnung für besonders persönliche Befähigung waren. In den meisten Fällen ja. Es gab auch Fälle – ich habe sie im Feld kennengelernt –, wo sie mit dem Blut der Untergebenen bezahlt oder erworben wurden. Aber tun Sie das Ihrige – ich möchte das in dieser Debatte, nachdem es ja Gegenstand offener Darstellung geworden ist, doch sagen, aber nicht etwa in gehässiger Form vorbringen, daß die Darbietung von hohen Orden, getragen von jungen Leuten prominenter Politiker, und das in diesem Fall in Danzig bei der Verfilmung eines Stückes von Günter Grass, entweder überhaupt nicht erfolgt oder nicht veröffentlicht wird. Sie wissen, was ich meine.« Strauß sprach keineswegs zufällig gerade Helmut Schmidt an. Der CSU-Politiker, der den Film ja noch nicht gesehen haben konnte und sein »Wissen« lediglich aus Presseberichten zog, die Lars Brandt und sein Spiel mit dem Orden zeigten, macht den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion hier zur Gouvernante, die den Parteifreund Brandt doch bitte zur Räson rufen möge. Dabei fraternisiert Strauß untergründig mit Schmidt und appelliert an ihn als ehemaligen Offizier der Wehrmacht, ein Dienstgrad, den bekanntlich auch Strauß innehatte. Offizier spricht zu Offizier. Sein intimer Hinweis auf die Fragwürdigkeit mancher Orden, den Blutzoll, den sie forderten, zeigt ihn als aufrechten und nicht unkritischen Kämpfer, der die wahrhaft tapferen Soldaten und Ordensträger von jedem Makel befreit und zugleich die Ehre der Wehrmacht und die Geltung ihrer Orden verteidigt. Ganz unverhohlen fordert Strauß hier eine politische Zensur. Und selbstverständlich reitet Strauß an dieser Stelle – unmittelbar vor der bayerischen Landtagswahl – eine Attacke gegen den »vaterlandslosen Gesellen« Brandt, der »draußen« gewesen war, kein Offizier, kein Ordensträger, kein Mann aus dem Feld.
    In dieselbe Kerbe schlug eine Bemerkung des Bundeskanzlers Erhard, der sich im kleinen Kreis an seinen Stellvertreter Erich Mende (FDP) wandte und zu bedenken gab: »Denken Sie bloß einmal, wo wir hinkommen, wenn ein Mann wie Brandt Kanzler wird. Dessen beide Söhne schänden das nationale Symbol des Eisernen Kreuzes, indem sie das Ritterkreuz zum Badeanzug tragen.« Erhard, der ja am Rücktritt der FDP-Minister scheiterte, zielte mit seiner Bemerkung gegenüber Mende auf potentielle Koalitionsgelüste der FDP mit der SPD und hielt dem Koalitionspartner vor Augen, mit wem man sich denn da einlassen würde. Schließlich war Mende – Spitzname der »schöne Erich« – selbst ein hochdekorierter Offizier, der zu festlichen Anlässen stolz sein Ritterkreuz auf der glänzenden Frackbrust vorzeigte. Folgerichtig verließ Mende seine Partei 1970 und wechselte zur CDU, weil er die sozialliberale Koalition, ihren Kanzler Willy Brandt und seine neue Ostpolitik entschieden ablehnte. Bei so viel politischem Gegenwind wundert es nicht, dass auch das Innenministerium, das das Projekt mit 400000 DM gefördert hatte, Druck ausübte und den Regisseur aufforderte, den Film politisch zu entschärfen, andernfalls müsse man, was rechtlich gar nicht möglich war, den gewährten Zuschuss zurückfordern. Pohland jedoch beharrte auf seiner künstlerischen Unabhängigkeit, beugte sich dem Druck nicht. Erst als Willy Brandt sich einschaltete, dem ja vertraglich ein gewisses »Mitspracherecht« in Fragen der väterlichen Fürsorge und des eigenen politischen Ansehens eingeräumt worden war, zeigte sich Pohland zu den von Brandt angeregten Änderungen bereit. Im Gegensatz zu Günter Grass, der sich nicht lange mit Fragen künstlerischer Autonomie aufhielt, artikulierte Brandt seinen Anspruch betont behutsam und bat lediglich um Korrekturen. Der gerade ins Amt gewählte Außenminister schreibt am 23. Dezember 1966: »Sehr geehrter Herr Pohland, wie ich Ihnen gestern Abend sagte, fällt es mir schwer, zu einem abgewogenen Urteil über Ihren beeindruckenden Film zu gelangen. Sie erwarten von mir keine qualifizierte künstlerische Bewertung. Aber Sie werden verstehen, daß ich als Vater nicht nur Mahlke sehe, sondern auch meine Söhne, die ihn darstellen. Ich will mich nicht bei Einzelheiten aufhalten, sondern möchte Sie – wie in unserem gestrigen Gespräch – dringend bitten, sich zu zwei Komplexen doch zu einer

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