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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Körner
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Arbeiterhäuschens: Kuhlmann. Wir hießen Brandt.«
    Weder die Brüder noch Ninja, die ja noch Willy Brandts Geburtsnamen Frahm trägt, haben mit ihrem Vater jemals ausführlicher über seine Namenswahl gesprochen, jedenfalls ist es ihnen nicht erinnerlich. Wenn sie es versuchten, wurde er einsilbig, hüllte sich in undurchdringliches Schweigen. Die Kinder jedoch hatten zu überlegen, ob sie einen anderen Namen annehmen, um aus eigener Leistung jemand zu sein. Der Vater hatte es ihnen schließlich vorgemacht, indem er den Elternnamen als Neunzehnjähriger abstreifte und sich einen eigenen Namen schuf. »Ich habe«, erzählt Peter Brandt, »als Jugendlicher einen Moment überlegt, ob ich mir einen anderen Namen zulege. Ich war 18 oder 19, als ich anfing, regelmäßiger zu publizieren, und damals entstand die Überlegung, das unter einem eigenen Namen zu tun. Man wollte ja nicht immer sofort mit dem Vater identifiziert werden. Diesen Gedanken habe ich dann aber wieder verworfen, weil dann von außen noch viel mehr in diesen Namenswechsel hineingelegt und hineinpsychologisiert worden wäre. Die Distanzierung vom Vater wäre vermutlich viel dramatischer betrachtet worden. Als ich zwanzig war, stellte dieser Reflex ›Ach, das ist der Sohn von Willy Brandt‹ natürlich ein Problem für mich dar, aber mit 14 gelang es mir, besser damit zurechtzukommen, und heute, mit 60 plus, habe ich doch gelernt, damit recht entspannt umzugehen.« Tatsächlich lässt sich Peter Brandt 1968 bei einer seiner ersten größeren Veröffentlichungen für das von Günter Amendt herausgegebene Rowohlt-Buch »Kinderkreuzzug oder Beginnt die Revolution in den Schulen?« vertraglich zusichern, dass keine Werbung mit dem Namen Brandt gemacht werden darf und auch nicht darauf hingewiesen wird, dass sein Vater der Politiker Willy Brandt ist. Der Vertrag muss übrigens von seiner Mutter unterschrieben werden, weil Peter noch nicht volljährig ist.
    Obwohl also die Söhne den Vaternamen nie ablegen – Matthias Brandt überlegt zu Beginn seiner Laufbahn, ob er einen anderen Namen überstreift, verwirft den Gedanken aber rasch –, eignen sich zumindest Lars und Peter eine gewisse Übung im Spiel mit Pseudonymen an. Als Lars Mitte der achtziger Jahre das erste Mal Bilder ausstellt, legt er sich wie bereits erwähnt das Pseudonym David Stein zu und signiert alle seine Bilder unter diesem Namen. Und auch im Schriftverkehr mit Freunden pflegt er einen spielerischen Umgang mit Pseudonymen wie »Silk Therror«. Das gleiche Spielmoment findet sich in Peters Biographie, der in einem Freundschaftsbund als »Torris« firmiert, was lateinisch so viel wie »dörrende Hitze« bedeutet. Während diesen fabulierenden Namensgebungen jedes politische Moment fehlt, findet sich das Motiv des Identitätsverstecks zumindest in Peter Brandts politischem Lebenslauf, als er in den sechziger Jahren einer trotzkistischen Splittergruppe angehört.
    »In meiner trotzkistischen Phase besaß ich einen Decknamen, weil jeder von uns einen Decknamen besaß. Man hat unter diesem Decknamen geschrieben, und auch in den internen Papieren wurde dieser Deckname benutzt. Ich nannte mich übrigens ›Hagen von Tronje‹. Damals wusste ich nicht, dass dieser Name in der Weimarer Republik ein ganz typischer Deckname von Rechtsradikalen war. Übrigens fand ich den Hagen in der Nibelungensage viel interessanter als den Saubermann Siegfried, diesen stinklangweiligen Alleskönner. Von Hagen hingegen ging etwas Beunruhigendes, auch etwas Beängstigendes aus, der war als Typ einfach interessanter.«

Lars, Matthias, Peter und Willy Brandt, Berlin 1966
[Peter Brandt]
    »Deshalb sind Sie später hier in Berlin auch in die Hagenstraße gezogen?«
    »Den Witz haben schon andere vor Ihnen gemacht. Ja, dann bin ich ja auch als Professor an die Universität Hagen gegangen.«
    »Daran hatte ich nicht gedacht!«
    Gelächter.
    »Ein Schmalspurpsychologe könnte das jetzt zum Lebensthema machen: Er kam von Hagen nicht los!«
    »Sie haben also einen Decknamen in Erwartung der Illegalität benutzt?«
    »Ja und nein, also Jein. Man wurde in diese Gruppe aufgenommen, man trat nicht bei, man wurde aufgenommen. Öffentlich trat diese Gruppe gar nicht in Erscheinung, das war wie ein Geheimbund. Man hatte im Hinterkopf, dass es eine illegale Phase geben könnte, außerdem wussten wir ja, dass wir vom Verfassungsschutz beobachtet werden, und da war es ein bisschen wie Räuber und Gendarm spielen. Man verschleierte in

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