Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
nachzudenken und bemühte mich, alles weniger dramatisch zu sehen. Mein Abenteuer würde halt ein bisschen länger dauern - mit all seinen Schrecken, seinen heldenhaften Momenten und ebenso vielen außergewöhnlichen Erfahrungen, mit denen ich zusätzlich Eindruck schinden konnte. Ich dachte sogar daran, ein Buch darüber zu schreiben, das vielleicht ein Beststeller würde. Dann wäre ich reich und berühmt genug, um mein deprimierendes Jurastudium hinzuschmeißen, zu dem mich mein Vater gezwungen hatte. Eigentlich wollte ich nämlich viel lieber Künstler werden, Computerkünstler … Der Traum in 3-D! Ich konzentrierte mich wieder aufs Hier und Jetzt. Sicher würde ich meine Couch und meinen Fernseher, meine Kanufahrten im Sommer und meinen beruhigenden Alltagstrott vermissen, wenn ich hierbliebe. Da ich jedoch weder verheiratet,
fest liiert, verliebt, noch meiner Zukunft à la »von Beruf Sohn« besonders zugetan war, hatte ich es im Grunde nicht eilig. Deshalb fragte ich Ergonthe sogar: »Wie lange kann so ein Krieg dauern wie der, der gerade ausgebrochen ist, Ergonthe?«
»Bestenfalls zehn Jahre, schlimmstenfalls ein Jahrhundert.«
Ich riss die Augen auf und bekam einen zweiten Adrenalinschub.
Der Palast des Fürsten entpuppte sich als gewaltiger Gebäudekomplex aus nebeneinanderliegenden asymmetrischen Bauten aus dunklem Holz, die mit unterschiedlich hohen Türmen versehen waren. Ein Gewirr von Treppen und Stegen verband die einzelnen Einheiten auf eigenartige Weise und führte manchmal direkt durch sie hindurch. Im Prinzip war der Palast eine Miniaturausgabe der Stadt selbst. Er schien wie ein Pilz am Fuß mehrerer riesiger Bäume aus dem Boden geschossen zu sein. Hunderte von Leitern und Seilen verbanden diese verwirrende Festung mit ihrem »luftigen« Teil hoch oben zwischen den Blättern. Dort war der Sitz einiger Verwaltungsbehörden. Wir hielten auf dem großen Platz des Palastes, wenige Meter vor der riesigen Treppe, über die man nach oben zur Vorhalle gelangte. Diese schützte eine Flügeltür aus rotbraunem Holz, die von zwei zehn Meter hohen Standbildern flankiert wurde. Beide stellten den derzeitigen Fürsten von Isparin dar: rechts in Kriegskleidung, links in Tunika und mit dem Buch des Rechts auf der Brust. Auf dem untersten Absatz war eine ansehnliche Gardearmee aufgestellt, die darauf vorbereitet war, einen möglichen Ansturm der Bürger abzuwehren. Mir fiel auf, dass diese Männer alle große, herabhängende Wikingerschnurrbärte wie ein Regimentsabzeichen trugen.
Was den Rest betraf: Mit Nieten verzierte Überwürfe, gepanzerte Rüstungen, Helme und Gerätschaften, um seine Mitmenschen niederzumetzeln, waren von erstaunlicher Vielfalt.
Ergonthe stieg von seinem Equined, doch diesmal tat es ihm nur sein Bruder gleich. Die anderen Ritter wussten, dass nur die beiden den Palast betreten durften. Ich hingegen dachte nur daran, wie gern ich mir dieses seltsame Bauwerk ansehen würde.
»Darf ich mitkommen?«, fragte ich.
»Unter den gegebenen Umständen lieber nicht«, antwortete Ergonthe. »Der Fürst hat sicher seine Cheubs in den Gängen losgelassen, damit keiner auf die Idee kommt, sich mit Gewalt Zutritt zu seinen Gemächern zu verschaffen.«
»Aber ihr … äh, ich meine …«
»Wir stehen unter dem Schutz der isparanischen Garde.«
»Ich weiche euch nicht von den Fersen«, versprach ich.
Ergonthe sah mich einen Moment lang fest an und warnte mich dann vor.
»Du kannst aber nicht bei der Audienz dabei sein, die uns der Fürst gewährt.«
»Dann warte ich draußen … mit einem Gardisten.«
Ergonthe zeigte sich ungerührt, doch Fregainthe neben ihm setzte ein äußerst verdächtiges, hämisches Lächeln auf.
»Wie du willst«, entschied Ergonthe schließlich. »Immerhin hast du ja für eine Fernreise ›mit Nervenkitzel‹ bezahlt.«
Ich bereute meine Bitte schon jetzt.
Wir gingen also zu dritt auf die Zerberusse zu. Es waren gute fünfzig und ihre massigen, ernsten Gesichter waren zu einem mürrischen Ausdruck erstarrt. Ergonthe sprach einen von ihnen, der anscheinend der Anführer war, in einer kehligen Sprache, vermutlich dem Arth-Neuhm, an.
Ergonthe und der isparanische Offizier redeten nicht
lange, aber ich begriff, dass wir eintreten durften. Als wir zwischen den Soldaten mit der Statur eines Catchers die Holzstufen hinaufstiegen, fühlte ich mich klein und schmächtig wie ein zehnjähriger Junge. Um es noch schlimmer zu machen, musterten sie mich mit neugierigen,
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