Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
brauchten wir alle, Menschen und Tiere, dringend eine Pause. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren für unsere Beine anstrengender gewesen als ein dreimonatiger Feldzug für eine römische Legion. Sobald wir das Lager aufgeschlagen hatten, legte ich mich ans Feuer und wollte mich ein Stündchen ausruhen, bevor ich mich über meinen Anteil getrockneter Radone hermachte. Tatsächlich sank ich mühelos in einen bleiernen Schlaf, aus dem ich auffuhr wie aus dem Höllenschlund: schreiend, atemlos und schweißgebadet.
»Was hast du?«, fragte mich Ergonthe, der erschrocken aufwachte.
»Nichts, ich … Nur schlecht geträumt. Tut mir leid.«
Ich setzte mich auf, atmete tief ein und blickte starr vor mich hin. Vor meinem geistigen Auge sah ich noch immer das entsetzlich klare Bild einer Kreatur, die wie ein Vampir aus einem schlechten Film aussah und mir gerade mit einem teuflischen Grinsen das Blut aussaugte. Nicht einmal in meinen Albträumen als Kind hatte ich solche Angst gehabt, zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern.
Ergonthe legte sich wieder hin, ohne sich weiter um meine Qualen zu kümmern. Erst jetzt merkte ich, dass es dunkel und kühl geworden war. Von den zwölf Männern, aus denen unsere Gruppe bestand, fehlten drei. Ich nahm an, dass sie ganz in der Nähe postiert, aber im Dunkeln nicht zu sehen waren. Anscheinend waren die Wachrunden verteilt worden, während ich geschlafen hatte, was mich ärgerte.
»Ergonthe«, murmelte ich. »Wann bin ich dran mit Wacheschieben?«
Er brummte verstimmt: »Sofort, da du ja nun schon mal wach bist.«
»Okay. Wo und bis wann?«, fragte ich schroff.
»Wo du willst, aber geh nicht zu weit weg. Und so lange, wie du es aushältst, von mir aus bis zum Morgengrauen, wenn’s dir Spaß macht.«
»In Ordnung … Danke.«
Ich stand auf. In diesem Moment fügte Ergonthe hinzu: »Bevor ein junger Litith Ritter werden kann, muss er mindestens drei Jahre Novize sein, Thédric.«
»Ich weiß.«
»Deine Lehrzeit wird etwas kürzer sein.«
»Und das heißt?«
»Drei Tage.«
Ich grinste, und obwohl ich ihn im Dunkeln nicht genau erkennen konnte, war ich überzeugt, dass er es ebenfalls tat.
Ich entfernte mich also, um mich irgendwo auf der Wiese, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten, zu postieren. Eine Decke um die Schultern geschlungen, hockte ich mich wie ein Apachenkrieger im Schneidersitz auf den Boden, legte mir meinen Svilth geladen auf die Oberschenkel und eine Hand auf den Kolben. Etwas nervös drehte ich mich zum Feuer um, das jetzt etwa dreißig Meter von mir entfernt war und nur noch einen schwachen orangefarbenen Lichtschein abgab. Die Nacht begann friedlich, und ich hatte keinen Grund, mich vor irgendwas zu fürchten. Trotzdem lief mir ein Schauder über den Rücken, denn ich saß direkt auf dem kalten, nassen Gras. Zum Glück trug ich eine dicke Lederhose - in meiner Jeans hätte ich mir mit Sicherheit den Tod geholt. Ergriffen atmete ich in vollen Zügen die frische Luft dieser seltsamen Welt ein, an die ich mich inzwischen ein wenig gewöhnt hatte. Der nebelumhüllte Mond stand über den Wipfeln eines großen nahe gelegenen Waldes. Es herrschte eine beruhigende Stille, die nicht einmal durch die fernen Schreie der Nachtvögel oder das Rascheln
der Insekten rings um mich herum gestört wurde. Um meine Gedanken zu ordnen, stellte ich mir in den folgenden Minuten einige Fragen, auf die ich aber größtenteils keine Antwort fand: Was machte ich hier, anstatt mir auf Djerba die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen? War - um hatten die litithischen Ahnen mit dem Klanoberhaupt Longtothe über mich gesprochen? Wofür hielt mich Ergonthe wirklich: für einen Parasiten, ein Rätsel oder einen eingebildeten Schnösel? Meine Gedanken wanderten zu großen metaphysischen Fragen wie: Wer bin ich? Wohin gehe ich? und landeten schließlich bei unsinnigen Dingen wie: In welchem Zustand irre ich umher? Darüber musste ich lächeln und wandte mich weniger bedeutenden Dingen zu.
Ich war gerade in einen süßen, sehnsüchtigen Traum versunken, als ich wenige Meter vor mir ein beinahe unmerkliches Rascheln wahrnahm. Schnell richtete ich mich auf. Mein Herz überschlug sich … und meine Fantasie ebenfalls! Ich sah schon einen Ork vor mir, der mit einem Messer zwischen den Zähnen auf mich zukroch, um mir bei lebendigem Leib die Kehle durchzuschneiden … natürlich bei lebendigem Leib, was denn sonst? Was sollte ich bloß tun? Das Rascheln wurde deutlicher, blieb aber
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