Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
leise, denn was immer sich da näherte, bewegte sich offensichtlich sehr vorsichtig. Ich ließ mich auf ein Knie nieder, stützte einen Ellenbogen auf das andere und legte meine Armbrust an. Ein oder mehrere Lebewesen kamen auf mich zu, dessen war ich inzwischen sicher. Dennoch zögerte ich, das Lager in Panik zu versetzen, denn vielleicht handelte es sich nur um ein Tier. Außerdem hatte mir Ergonthe anvertraut, dass es noch immer sehr unwahrscheinlich sei, so weit im Süden auf Orks zu stoßen. Ich blieb trotzdem auf der Hut, schließlich konnte es auch ein gefährliches Raubtier sein. Kaum
hatte ich diese Möglichkeit in Betracht gezogen, wurde sie auch schon wieder hinfällig, denn das »Tier« flüsterte etwas. Was tun? Sollte ich schreien oder zu einem der drei Litithen hinübereilen, die mit mir Wache hielten, und seine Meinung einholen? Aus den Augenwinkeln sah ich - oder glaubte ich zu sehen -, wie sich keine sechs Meter links von mir ein Schatten auf einen krummen Strauch zubewegte. Ohne zielen zu können, betätigte ich den Abzug meines Svilths. Das Zischen des Pfeils endete abrupt, doch es war kein Einschlag zu hören. Hatte ich mein schattenhaftes Ziel getroffen? Ich biss mir auf die Lippe und dachte, dass ich vielleicht gerade einen meiner Gefährten umgebracht hatte. Dann geschah etwas Merkwürdiges: Ein kleiner Gegenstand prallte gegen meine Brust und hüpfte wie ein Kiesel ins Gras. Ich tastete danach und fand ihn: Es war mein Pfeil! Erstaunt riss ich die Augen auf. Mein mutmaßliches Opfer hatte mir mein Willkommensgeschenk zurückgeschickt. Ich brauchte eine Erklärung. In diesem Augenblick presste sich eine Hand auf meinen Mund.
»Pssst!«, flüsterte mir jemand ins Ohr, damit ich nicht aufschrie.
Ich konnte mich wieder entspannen: Es war Smenainthe, einer der drei anderen Wachposten. Behutsam löste er seinen Griff.
»Was geht hier vor?«, fragte ich leise.
»Wir haben Besuch.«
»Du hast sie auch gehört? Wer kann das sein?«
»Keine Angst, sie sind nicht gefährlich. Außer für … Hast du einen Strets dabei?«
Strets sind proteinreiche, aber sehr trockene Kekse, die den Litithen als Überlebensvorrat dienen.
»Ja, ich glaub schon.« Ich zog das flache, runde Gebäck aus einer Tasche meines Lederüberwurfs. »Da.«
»Nein, behalt ihn und halt ihn genau so hin, knapp über dem Gras.«
Ich gehorchte und war jetzt neugierig geworden. Welches Tier konnte man wohl mit dieser Leckerei anlocken? In den nächsten ein oder zwei Minuten kam das Rascheln näher, dann verstummte es. In der Hoffnung, wenigstens die funkelnden Pupillen des Geschöpfes zu erhaschen, ließ ich den Blick vergeblich durch die Dunkelheit schweifen. Plötzlich hörte ich ein kurzes Trappeln, dann war es wieder still. Verdutzt stellte ich fest, dass ich nichts mehr zwischen den Fingern hielt.
»Wow! Ganz schön schnell, das Tier!«, murmelte ich und zerrieb die wenigen Krümel, die von meinem Strets übrig geblieben waren, zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Das war kein Tier«, entgegnete Smenainthe, »sondern ein Mirlith.«
»Was für ein Ding?«
»In deiner Welt sagt man, glaube ich, Wiesenelfe.«
»Eine Elfe! Schade, dass ich sie nicht gesehen habe.«
»Das klappt nur selten. Zum Glück hast du sie gehört, als sie gekommen ist, sonst hätte sie dir bestimmt etwas gestohlen. Zum Beispiel deinen Svilth.«
Ich drückte meine kostbare Armbrust unwillkürlich an mich.
»Kann es sein, dass sie wiederkommt und wir sie vielleicht dann sehen … äh, ich meine, hören?«, fragte ich.
»Nein. Du kannst ruhig wieder schlafen gehen.«
»Oh, du bist ungerecht!«, spielte ich den Empörten. »Als sich der Mirlith angeschlichen hat, hab ich gut aufgepasst, das hast du selbst gesagt.«
»Ach ja? Ich war aber schon eine Weile hinter dir, und es kam mir so vor, als würdest du den Kopf hin und her wiegen.«
Ich glaubte ihm kein Wort. Doch ich irrte mich, denn im nächsten Moment hielt er mir meinen Dolch unter die Nase. Natürlich hätte er in der Scheide stecken müssen, die ich am Gürtel trug.
»Wäre ich ein Schlitzerork gewesen, dann wärst du jetzt tot«, folgerte Smenainthe.
Die Schlitzerorks waren auf nächtliches Eindringen und lautlose Elimination spezialisierte Kommandos. Voller Scham gab ich Smenainthe recht und dankte ihm für diese wirkungsvolle Lektion. Offensichtlich waren drei Tage Lehrzeit eindeutig zu wenig.
ERSTES SCHARMÜTZEL
W ir ritten zwei volle Tage, ohne auf die geringsten Anzeichen
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