Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
Litithen
wie üblich schon ihre Sachen gepackt und ihre Equineds gesattelt hatten und bereit zum Aufbruch waren. Lizlide war dagegen nirgendwo zu sehen, was mich ein wenig unruhig machte. Fregainthe war jedoch so freundlich, mich sofort aufzuklären.
»Sie ist in den Wald gegangen, um ein paar Pflanzen zu sammeln. Sie kommt gleich zurück.«
Beruhigt stand ich auf und atmete tief ein. Die Luft war relativ mild und der Himmel fast klar. Die Sonne tauchte am Horizont des Mysteria-Gebirges auf und überflutete es mit goldenem Licht. Ich bemerkte die Leichen der schwarzen Drachenreiter, die ihrer Teerpanzer beraubt waren. Die Rüstungen waren jetzt auf der Kruppe der litithischen Equineds befestigt. Ich folgerte daraus, dass meine Gefährten ihre Meinung über unseren geplanten Raub nicht geändert hatten (wir hatten vor, mit Drachen zur Turmspitze hinaufzufliegen, um dort die Schale des Schicksals zu entwenden). Dabei wurde mir bewusst, dass ich inzwischen gar nicht mehr so erpicht darauf war, mich auf eine solche Unternehmung einzulassen, was sicher auch an der vergangenen Nacht und meinen schlechten Träumen lag. Ich muss gestehen, dass ich vor Angst mit Bauchschmerzen aufgewacht war. Vor allem der kurze Satz, den die Elfe über mich gesagt hatte, lag mir schwer im Magen.
»Da kommt Lizlide«, verkündete Fregainthe plötzlich.
Ich drehte mich zum Wald um und erblickte die junge Frau, die auf ihrem riesigen Hirsch saß und mit fast übernatürlicher Anmut eine Nebelbank durchquerte. Diese Erscheinung am frühen Morgen verzauberte und rührte mich … wie ein lebendes Bild von Turner, ein Bild gewordenes Gedicht von Baudelaire.
»Aufgesessen!«, rief Longtothe und holte mich abrupt in die harte Wirklichkeit meines Heldenepos zurück.
Wenn man bedenkt, dass ich heute Abend vielleicht tot bin, kam mir unweigerlich in den Sinn. Sofort hatte ich die Hoffnung, meine Seele würde dann vielleicht in eine Endloswelt der Imagination entschweben. Armaintho kam zu mir und leckte mir zur Begrüßung zärtlich die Hand.
»Könnte ich doch nur als Elf wiedergeboren werden«, murmelte ich, während ich ihn streichelte.
Er senkte den Kopf, als würde er mir zustimmen, was mir das erste Lächeln des Tages entlockte.
Unser Weg in Richtung Norden führte uns noch einmal durch das Fürstentum von Isparin. Die verbündeten Truppen hatten sich über die riesigen Wiesen ausgebreitet und waren inzwischen fast so groß und mächtig wie die des Schändlichen. Zwischen beiden Lagern lagen nur etwa zehn Kilometer. Die bevorstehende Schlacht würde spektakulär werden. Laut Ergonthe waren es fast zweihunderttausend Kämpfer, die in Wellen von mehreren Tausend übereinander herfallen und sich bis zum letzten Mann gegenseitig niedermetzeln würden. Im Falle einer Niederlage gab es nämlich keinen Rückzug, keine wilde Flucht, kein Quartier für die Verwundeten oder Gefangenen. Die Orks kannten die Kriegsgesetze nicht, die in meiner Welt - zumindest theoretisch - galten. Die Verurteilung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erschien diesen Kreaturen als ebenso unsinnig wie das Mitleid einer Schlange mit der Maus, die sie verschlingen wollte. Was die Soldaten der verbündeten Armeen anging, so hatten sie mehr Angst davor, eine Niederlage zu überleben, als davor, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Jetzt war mir klar, warum eine Offensive nur im Blutbad enden konnte, wenn sie erst einmal begonnen hatte. Insgeheim hoffte ich, es nicht mitansehen zu müssen, und falls doch, dann nur aus der Ferne.
Wir passierten unzählige Soldatenquartiere und begegneten Bataillonen von ebenso unterschiedlichen wie beeindruckenden Kriegern. An einer gewaltigen Artilleriestellung ritten wir sogar länger als eine Viertelstunde vorbei. Ihre Waffen bestanden hauptsächlich aus Katapulten, manche so hoch wie ein sechsstöckiges Haus. Sie ruhten auf basketballfeldgroßen Plattformen und jedes einzelne wurde von einoder zweihundert Mann bedient. Die Geschosse türmten sich ebenfalls dort oben und bestanden aus Steinkugeln oder mit Sprengstoff gefüllten Eisenkrügen. Ich machte mindestens zehn Fotos mit meinem digitalen Reisebegleiter, weil ich mir dachte, ohne sie würden mir meine Freunde niemals glauben, was ich da gesehen hatte. Außerdem wusste ich jetzt schon, dass einer von ihnen, so ein ungläubiger Eierkopf und ewiger Skeptiker, mir vorwerfen würde, die Bilder gefälscht zu haben, um die Frauen zu beeindrucken. Daraufhin kam mir der deprimierende
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