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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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sage
der
Kojote, als wären alle, die ich in letzter Zeit gesehen hatte, ein und derselbe gewesen, als hätten wir eine Art Rendezvous gehabt, aber es war tatsächlich ungewöhnlich, sie zu sehen.
    Er sah nicht tollwütig oder verletzt oder krank aus. Im Gegenteil, er wirkte wachsam und kerngesund und wie in den besten Jahren. Im Visier des Zielfernrohrs war sein Kopf eine grün leuchtende Maske, die Augen darin schwarze Löcher, bis sie einzelne Lichter vom Horizont auffingen und mich mit zwei strahlenden Pfeilen anblitzten.
    Ich wünschte diesem wilden Tier nichts Böses, aber was ich dachte, war:
Wenn du mir weiter so vors Visier läufst, drücke ich eines Nachts ab
.

45
    Crunchy und Creamy machten in der Lodge Tee, und das ganze VOLK versammelte sich, um ihn zu trinken. Woher wussten wir alle, dass wir dort hingehen sollten?
    Ich hatte ein Pulsieren im Hinterkopf, an der weichen dunklen Stelle, wo Sehne und Knochen sich treffen, und es ließ mich von dem Lager aufstehen, wo Laurel und ich wie zwei Eidechsen das Vergehen der Nachmittagshitze abwarteten. Ich nahm Laurels Fingerspitzen, um sie mitzuziehen, ließ sie aber wieder los, ehe wir weit gegangen waren. Nicht so sehr um die Berührung vor D. zu verbergen, der sowieso Bescheid wusste, aber dennoch.
    Das VOLK bewegte sich aus verschiedenen Richtungen auf die Lodge zu, angezogen vielleicht von dem seltsamen Aroma des Tees. Vielleicht war es aber auch die Anziehungskraft von D.s Willen. Wir konnten ihn spüren, man konnte ihn spüren wie einen Magneten. Der Geruch wurde stärker, je näher man kam.
    Mit einer gewissen Feierlichkeit schöpften Crunchy und Creamy Tee aus ihrem Kessel in Styroporbecher. Der Tee war schwarz und schmeckte rauchig, moderig. Ich muss an diesem Tag sehr abgelenkt gewesen sein, denn erst als sich mein Gesichtsfeld an den Rändern verformte, wurde mir klar, dass wir gerade Psilocybin getrunken hatten und das VOLK auf einen Kraut-und-Rüben-Trip ging.
    Dann kam D. die Treppe herunter, in einem blau geblümten Kimono, der ihm viel zu lang war, sodass der Saum hinter ihm herschleifte wie die Schleppe eines Brautkleids. Ich meinte zu sehen, dass er bemalte Lippen und Fingernägel hatte, aber das war vielleicht nur die Wirkung der Droge. Er stach durch das VOLK wie eine Elritze durch Wasser. Hier ein Streicheln, da ein Kuss, dort ein Flüstern. Wir waren an dem Tag dreißig oder vierzig Leute. Überwiegend Frauen, doch immerhin auch zwei Handvoll Männer. Ein paar von denen waren allerdings nur wegen der Party hier.
    D.s Stimme erhob sich, andächtig, klangvoll. Die Stimme schien nicht aus seiner Kehle zu kommen. Sie umhüllte seinen ganzen Körper wie eine Aura. Auch das kann eine Wirkung der Droge gewesen sein.
    Das Ende kommt näher
, sagte die Stimme.
    D. begann, Stitch auszuziehen, löste die weißen Knöpfe an ihrem blassblauen Arbeitshemd – das gleiche Hemd, das Creamy und Crunchy unter ihren Westen trugen. Stitch stand passiv da wie ein Kind, in ihrem Lächeln konnte ich die Spitzen ihrer Zähne sehen.
    Jaaa
. Die Stimme.
Wir reißen alles nieder
.
    Wie die meisten Frauen des VOLKES (mit Laurel als herrlich üppiger Ausnahme von der Regel) war Stitch jungenhaft gebaut, kaum Hüften und Brüste – und doch war ihr Körper schön anzusehen. Ein Seufzen durchlief die Lodge, als D. ihn entblößt hatte.
    O
    O
    Die Droge machte es zu einem gähnenden hohlen Laut, hallend und tief. Stitch warf das schmutzige Haar zurück, zeigte ihren weißen Hals. Lautlos sank sie vor D. auf die Knie. Doch D. verband sie mit jemand anderem und ging weiter.
    Die Stimme.
Ich
.
    An den Rändern meines Blickfeldes bildeten sich kleine Spinnweben aus Op-Art-Mustern. Es war mir nicht möglich, sie wegzublinzeln. Die Droge holte mich in sich hinein, ob ich wollte oder nicht. Ohne irgendwie gedrängt zu werden, begannen alle, sich auszuziehen. Ich sah von Laurel weg. In die entgegengesetzte Richtung. Eine entbehrliche Person hinter mir, ein Mann, half mir mit meiner Kleidung. Er hatte nur Sekunden gebraucht, um die lächerliche gestreifte Dschellaba abzuwerfen, die er immer trug. Ich musste ihn also kennen, obwohl ich nicht wusste, wie er hieß. War er einer vom VOLK oder bloß … da? Um mitzumachen. Er hatte Jesushaar wie alle anderen auch, aber sanfte braune Augen wie ein Hundewelpe. Ein pulsierendes psychedelisches Spinnennetz kroch über meine linke Gesichtshälfte. Ich sah weg. D.s Hände assistierten bei unserer Verbindung.
    Ich. Ich
.
    D.s Kimono war

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