Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)
verschwunden. Er war halb erigiert in dieser Wolke aus Ziegenhaar, doch ansonsten verriet nur eine gewisse Gepresstheit in seiner Stimme irgendeine Art von erotischem Engagement. Er nahm nicht unmittelbar teil. Er dirigierte. Steuerte, ermunterte. Führte ein. Für die schwierigeren Verbindungen hatte er eine prosaische kleine Tube Gleitmittel.
Ichichichichichich
.
Die Pilze verwandelten es in eine Art Heuschreckengeräusch, während ich tiefer sank. Mich haltlos verbog. Alle Geräusche verzerrten sich. D. verbog die Menschen nach seinem Willen. Wie Gumby, das Knetmännchen aus dem Fernsehen. Wie hieß noch mal Gumbys Pferd? Die verschiedenen Sauggeräusche wurden allmählich unerträglich laut. Das vertraute Gefühl: die Invasion der Erregung. Freiwillig oder nicht.
Lass mich los. Lass michichich
.
Ich willigte ein, vermute ich. Oder es gab kein Ich mehr, das einwilligen konnte. Oder etwas vermuten. Eine Irisblende schob sich über mein Gesichtsfeld. Dunkelheit. Dunkelheit. Licht. Mehr Dunkelheit. Als sie sich öffnete, sah ich oder nahm ich wahr, dass das VOLK einen einzigen großen, sich windenden Kranz um den offenen Kamin in der Mitte bildete, der kalt war und nach alter Asche roch. Als die Irisblende sich wieder schloss, sah ich Augenlidfilme von neongrünen und gelben Feldern, tänzelnden Ziegen und einer Frau, die sich in Schilf verwandelte.
Mein Volk. Eins sein. Eins sein
.
Ein sich vervielfältigendes Lager. Ein Tier mit vielen Rücken. Es bockte. Es stöhnte.
Lass michich los. Kraut und Rüben, das Ende von allem. Eins sein
.
Dann kam mir der unangenehm penetrante Gedanke, dass Laurel in diesem riesigen vögelnden Gänseblümchenkranz zwar ein paar Stationen von mir entfernt war, ich aber durch die transitiven Kräfte des Vögelns noch immer überaus spürbar mit ihr verbunden war. Das Widerwärtige dieser Idee ließ mich aufstöhnen, was das Tier anstachelte, obwohl ich keineswegs die Absicht hatte, es anzustacheln. Ich fand keine Stimme, um Laurel zu sagen, dass O. mir in Wahrheit scheißegal war, dass ich nur mit ihm weggefahren war, um ihr wehzutun. Im tiefsten Innern des Tieres gab es bloß eine Stimme, und diese Stimme schien nur
michichich
anzusprechen, obwohl ich wusste, dass sie das gesamte vereinte VOLK meinte.
Aufeinander fixiert. Auf euch selbst fixiert. Ihr könnt die mächtigen Stimmen der Götter nicht hören. Ihr seid zu beschäftigt, mit euch selbst zu reden
.
Inmitten von allem war bloßes Unbehagen. Haut schabte über den splittrigen Boden.
Könnt ihr die mächtigen Stimmen der Götter nicht hören
...
Die Wahrheit kam durch D. Sie war nicht von ihm. Vielleicht verstand D. sie selbst nicht. Bis auf die besonderen Momente, wenn er sie verstand.
Ich wollte sagen:
Ich höre sie, wirklich! Ich höre Götterstimmen. Die Worte, die sie um mich bilden wie eine Tür
. Aber ich konnte nicht sprechen, und nicht nur, weil irgendein fleischliches Ding mir die Kehle verstopft hatte.
Ich wusste, dass ich nicht wegen dieser Orgie gekommen war. Das war nicht die Orgie, wegen der ich gekommen war. Die war woanders. Meine Ekstase. Die Ekstase von jemandem. Ich wusste, dass es früher schon geschehen war, wenn ich, und nur ich, die wahren Stimmen hörte, und ich wusste, es würde wieder geschehen.
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Mit dem Schalldämpfer machte der Schuss kaum mehr Lärm als ein Niesen oder wenn jemand auf trockenen Sand spuckt. Ich zwang mich, das Gewehr schön aufrecht gegen einen Stein zu lehnen, ehe ich mich mit gezückter Klinge auf den Kojoten stürzte, der noch immer krampfartig mit den Beinen zuckte, mit den Krallen durch den feinen Kies scharrte. Tote Kiefer schnappten.
Ich weidete ihn aus. Zog ihn ab. Wie Terrell es mir vor vielen Jahren beigebracht hatte, als wir zusammen auf die Hirschjagd gegangen waren. Das Messer, das ich jetzt benutzte, war nicht das beste, das ich je besessen hatte, und als ich zu den schwierigen Stellen kam, wurde es schon stumpf. Ich wetzte es an einem Stein, machte mit dem Häuten weiter. Schließlich löste sich die ganze Kopfhaut in einem Stück. Ich hielt inne, auf den Knien, auf die Handflächen gestützt, hechelnd wie ein Hund.
Blut bis zu den Ellbogen. Im schwachen Sternenlicht sah es vor dem bleichen Wüstenboden schwarz aus. Der Klang meines Atems war wie ein Kratzen auf dürrem Holz.
Ich stand langsam auf, hob das schlaffe Fell an und blickte in die leeren Augenlöcher der Gottmaske. Anwesenheit in Abwesenheit. Der unausweichliche starre Blick. Falls es so
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