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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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bereits. Kurz fühlte er sich versucht, dem anheimelnden Geruch von frischem Brot und Kaffee nachzugehen, der ihm in die Nase stieg. Aber dann wandte er sich dem Hafen zu.
    Wie jeden Tag vor der Arbeit hatte er einen Besuch abzustatten. Ole Storm hatte eine heimliche Geliebte. Lydia.
    Auch an diesem Morgen setzte sein Herz einen Schlag lang aus, als er sie sah. Sie streckte ihm ihr knackiges kleines Hinterteil entgegen, und ihr schlanker, anmutiger Körper bewegte sich scheinbar federleicht auf und ab. In der Morgensonne schien sie von innen heraus zu leuchten. Lydia war aus spiegelklar lackiertem Mahagoni erbaut und ein schneidiger Seefahrtskreuzer der neuen, modernen 50-qm-Klasse. Im Frühjahr hatten Ole und Meister Rausch einen neuen Satz Segel für sie gefertigt und waren kurz darauf von ihrem Eigner eingeladen worden, eine Clubregatta mit ihm zu segeln. Weil Rausch und der Eigner sich mehr für den Trimm der neuen Tücher interessierten, war Ole die Arbeit an der Pinne zugefallen. Sie hatten die Wettfahrt haushoch gewonnen, und seitdem war Ole der Lydia hoffnungslos verfallen.
    Versonnen setzte er sich auf den Steg, ließ die Beine baumeln und betrachtete »sein Schiff«, wie er sie insgeheim nannte. Ein 50er war gute zwölf Meter lang und eine echte Yacht. Groß genug, um auch mit rauem Wetter zurecht zu kommen und um über eine bescheidene Kajüte mit vier Kojen, kleiner Kombüse und Navigationsecke zu verfügen. Jedoch nicht so groß und unhandlich wie ein 8er oder 12er oder einer dieser gewaltigen neuen 100er-Seefahrtskreuzer, bei denen ein lauschiger kleiner Segelschlag wegen der für diese Boote benötigten Besatzungsstärke leicht mit einem Truppentransport verwechselt werden konnte. Kurzum, in Oles Augen war ein 50er das ideale Schiff.
    Ob Ole Storm jemals genug Reichtümer würde anhäufen können, um sich ein solches Prachtstück leisten zu können, stand auf einem ganz anderen Blatt. Die Lydia gehörte einem wohlhabenden Physiker namens Hülsmeyer, der angeblich mit einer geheimnisvollen Erfindung reich geworden war. Selbst für ihn waren die 18 000 Reichsmark, die er bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder für die Lydia hatte hinblättern müssen, kein Pappenstiel gewesen. Für Ole jedoch war es ein Betrag, den er bei seinem gegenwärtigen Lohn in fünfzig Jahren nicht zusammensparen könnte.
    Nichtsdestoweniger träumte er davon, ein solches Schiff zu besitzen und damit auf Fahrt zu gehen. Die Ostsee hinauf durchs Skagerrak, vielleicht nach England hinüber. Oder noch weiter, wie Schlimbach, allein über den Atlantik.
    Ein lauter, lang anhaltender Schrei zerriss Oles Tagtraum.
    Dem Schrei folgte ein dumpfer Schlag und ein lästerlicher Fluch, in den sich schallendes Gelächter mischte.
    Der Lärm war von dem Teil des Clubgebäudes gekommen, in dessen oberem Stockwerk sich einige Gästekammern für die ausländischen Regattateilnehmer befanden. Als Ole um die Ecke gelaufen kam, bot sich ihm ein merkwürdiger Anblick. Zwei Männer schütteten sich schier aus vor Lachen. Sie zeigten auf einen dritten, der mit blutiger Nase unter einer langen, offensichtlich umgestürzten Leiter am Boden lag und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Bein hielt. Wo die Leiter an der Wand gelehnt haben mochte, stand ein Fenster offen.
    Ein überaus attraktives Mädchen in Oles Alter sah daraus hervor.
    Lina.
    Sie war die Tochter des schwedischen Starbootseglers Fredrik Sønstebye aus Stockholm. So viel wusste Ole. Sie trug ein seidenes, nachlässig zugeknöpftes Pyjamahemd, das einen delikaten Blick in ihr Dekolleté erlaubte, als sie sich nach vorne aus dem Fenster beugte. Ihre langen, dunkelblond gelockten Haare wehten offen um ihr Gesicht, und ihre Augen hatten die Farbe von sehr tiefem grünem Meerwasser – gerade eben noch von einem Grün, bevor es sich in ein dunkles, bodenloses Schwarzblau verlor.
    Im Moment blitzten diese Augen gleichermaßen angriffslustig wie amüsiert, was wohl daran lag, dass Lina just in diesem Augenblick den Inhalt eines Nachttopfs über die Kompagnons des gescheiterten Fensterstürmers ausschüttete. Sie hatte exzellent gezielt und das Lachen der beiden verstummte sofort.
    Ole konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er fragte sich, ob es nur Wasser gewesen war, das die beiden so abrupt zum Schweigen gebracht hatte, oder eine andere, pikantere Flüssigkeit, als er sah, dass Linas Blick an ihm hängen geblieben war.
    »Die Vorstellung ist beendet!«, fauchte sie kühl und raffte ihren

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