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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
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Karl, der es mit tatkräftiger Unterstützung der Wirtin offensichtlich besonders bunt getrieben hatte, war bereits zweimal am Heck gewesen, um Rasmus ein »Opfer« darzubringen. Seltsam, Ole konnte sich nicht erinnern, selber auch so viel getrunken zu haben. Eigentlich konnte er sich überhaupt nicht erinnern. Nur, dass er irgendwann alleine zum Schiff zurückgekommen war. Der Rest lag irgendwie im Nebel.
    Dieser waberte kurioserweise nicht nur in seinem Kopf, sondern trieb auch in dichten, feuchtkalten Bänken über die See.
    Obwohl der kalte Nordwest, der an diesem Morgen dieses ungewöhnliche Wetterphänomen hervorgebracht hatte, nur mäßig wehte, machte die Skagerrak mit raumem Wind noch gute Fahrt. Schon bald tauchten an Steuerbord die schemenhaften Umrisse der Insel Æbelø aus dem Nebel auf. Selbst bei dieser schlechten Sicht waren die hohe Steilküste und die dichten, majestätisch über dem Meer thronenden Buchenwälder unverkennbar.
    Etwa eine Meile nördlich der Insel mahnte eine Untiefentonne vorbeikommende Schiffe, ausreichend Abstand von einem steinigen Flach zu halten. Das dünne, ungleichmäßige Bimmeln der Signalglocke war weithin zu hören, ohne dass das Seezeichen selber zu sehen gewesen wäre.
    In solch einer Waschküche, das wusste Ole seit seiner Kindheit auf Amrum, wo es sogar einen Ort gab, der Nebel hieß, trug der Schall deutlich weiter als bei klarer Sicht. Dafür war es ungleich schwerer, den genauen Standort der Schallquelle zu bestimmen.
    Daher war sich Ole nicht wirklich sicher, von wo das zweite Geräusch kam, das er seit geraumer Zeit in ihrem Kielwasser hörte. Mal schien es genau von achtern zu kommen, mal mehr von Backbord. Nur eins war klar: Es handelte sich zweifelsfrei um einen Schiffsdiesel, zu groß für einen Kutter, zu kräftig für ein anderes ziviles Schiff.
    »Das Schnellboot …«, raunte Karl ihm zu, der neben ihm saß und es ebenfalls gehört hatte.
    Ole nickte. Erst vor wenigen Minuten, als die Nebelbänke auseinandergewichen waren, hatte Ole geglaubt, den flachen Rumpf im Kielwasser gesehen zu haben. Aber es war nur ein winziger Moment gewesen, dann war das Licht wieder trüber geworden, und der graue Schatten war mit dem Nebel verschmolzen, aus dem er aufgetaucht war. Fast schon gespenstisch.
    Und noch etwas kam Ole nicht ganz geheuer vor. Jedes Mal, wenn es so klang, als sei das Motorengeräusch an Backbord querab, schien es kurz darauf wieder leiser zu werden und zurückzufallen. Die Skagerrak lief keine sechs Knoten. Viel zu langsam für ein Schnellboot. Warum überholte es nicht?
    Der Konteradmiral schien sich dieselbe Frage zu stellen. An der Art, wie er über die Schulter nach hinten blickte, konnte Ole erkennen, dass auch er ihren geheimnisvollen Begleiter bemerkt hatte.
    Beim Passieren der Untiefentonne vor Æbelø hatte von Wellersdorff Richard, Karl und die übrigen Kadetten zum Navigationsunterricht zusammengerufen und ihnen eine der Situation angepasste, knifflige Aufgabe gestellt: Standortbestimmung im Nebel, ohne sichtbare Landmarken, nur durch Kompass, Kurslinie, Tiefenlotung und Auskoppeln von Bootsgeschwindigkeit und Strömung.
    Jetzt, zweieinhalb Stunden später, rief er die angehenden Offiziere in Zweiergruppen an den Kartentisch ins Deckshaus, um ihre Ergebnisse zu überprüfen. Keiner der zwölf war mit seinen Koordinaten auch nur ansatzweise in die Nähe des von ihm selber ermittelten Standortes gekommen. Selbst Richard nicht, was diesen sichtlich verärgerte.
    Nach von Wellersdorffs Berechnung befand sich die Skagerrak kurz vor Fyns Rev, einem berüchtigten, sich mehrere Meilen weit nach Norden erstreckenden Riff. Auch hier gab es wieder eine Untiefentonne, die es in jedem Falle im Norden zu umfahren galt. Diese Tonne hatte von Wellersdorff als Zielpunkt ihrer Navigationsübung angepeilt.
    »Decksmeister!«, rief er Rausch zu, der nach der Mittagssuppe das Ruder übernommen hatte. »Stell mir zwei Mann als Ausguck ans Vorstag und zwei an jedes Want. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, müssten wir jetzt ziemlich bald die Nordtonne Fyns Rev treffen.«
    Keine zwei Minuten später sichtete der Ausguck an Steuerbord die Tonne. Der Konteradmiral ließ halsen und auf südlichen Kurs in den Großen Belt abfallen. Ein anerkennendes Murmeln lief über Deck, während die Kadetten die Schoten holten. Die Tonne bei diesem Nebel derart punktgenau anzusteuern war eine Demonstration navigatorischer Extraklasse.
    Der Konteradmiral gönnte sich zufrieden

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