Die Farbe des Himmels
sein, vor fünfzehn Jahren, als ich diesen dummen Unfall hatte.« Er zog die Decke über seinen Knien ein Stück nach oben. »Aber bitte, nehmen Sie doch Platz.«
»Haben Sie deshalb Ihrem Schwiegersohn die Firmenleitung übertragen?« Messmer nahm das Thema dankbar auf. Sie setzten sich Merkle gegenüber in zwei Korbstühle im Erker, von dem aus man einen eindrucksvollen Panoramablick auf den Stuttgarter Talkessel genoss. Am wolkenlosen Himmel kreiste der Hofbräu-Zeppelin.
»Irgendwann muss man den jungen Leuten ihre Chance geben. Ich habe Wolf immer für einen fähigen Geschäftsmann gehalten. Und Helene ist eine starke Frau. Sie hat die Finanzen fest im Griff.«
»Ihre Tochter ist also für den finanziellen Bereich verantwortlich?«, hakte Thea nach.
»Ich hielt das für besser. Wissen Sie, mein Schwiegersohn ging mit dem Geld, sagen wir, etwas lax um.«
»Wussten Sie, dass er spielte?«
Merkle schaute die beiden belustigt an. »Alle Achtung, das haben Sie aber schnell herausbekommen.«
Merkle schien amüsiert, was Thea in Erstaunen versetzte. An seiner Stelle hätte sie einen solchen Schwiegersohn zum Teufel geschickt. Aber konnte sie wirklich sicher sein, dass er das nicht getan hatte? Jedenfalls hatte es in Hausers Villa keinen Treppenlift gegeben.
»Meine Tochter hat ihm mit Scheidung gedroht, wenn sie noch einmal eine Differenz in den Büchern feststellen würde«, sagte Merkle, und etwas wie Stolz blitzte in seinen Augen auf. »Seither ist meines Wissens nur noch einmal etwas vorgefallen.«
Ja, weil sie ihm den Zugriff gesperrt haben, dachte Thea.
»Ist es richtig, dass Ihr Schwiegersohn einen Firmenanteil von zehn Prozent hatte, der ihm wieder entzogen wurde?«, wagte sie einen Schuss ins Blaue.
Merkle räusperte sich. »Wir hielten das für notwendig. Seine Leidenschaft für das Glücksspiel durfte die Firma auf keinen Fall gefährden. Er bekam als Geschäftsführer ein festes Gehalt, mit dem er zufrieden sein konnte.«
»Wann war das denn?«
»Irgendwann im Frühjahr. Helene war sehr aufgebracht, weil eine größere Menge der Firmengelder fehlte. Ich habe ihn damals zur Rede gestellt. Er sagte, er habe Spielschulden für einen Freund gezahlt, dem er noch einen Gefallen schuldete.«
»Was für einen Gefallen?« Messmer rutschte auf seinem Stuhl ein Stück nach vorn.
Merkle hob die knochigen Schultern. »Da bin ich überfragt. Das war für uns damals auch nebensächlich. Tatsache ist, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen durfte.«
»Wissen Sie, wie dieser Freund hieß?«, fragte Thea, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
»Daniel Lichtenberg. Er hat eine Arztpraxis am Killesberg, die aber anscheinend nicht so gut läuft. Wolf sagte, die Patienten sind vorwiegend alte Leutchen, die jemanden zum Reden brauchen und ihre Wehwehchen als Vorwand dafür nehmen. Lichtenberg ist wohl ständig in Geldnot, weil er jeden Cent, den er einnimmt, sofort nach Baden-Baden trägt. Freundschaft ist natürlich etwas Schönes, aber dass Wolf ihm mit Firmengeldern aus der Patsche hilft, geht zu weit.«
»Kennen Sie Lichtenberg persönlich?«
»Kennen wäre zu viel gesagt.« Merkle nahm seine Brille ab und massierte sich die Nase, die schmal und spitz wie ein Vogelschnabel war. »Ich habe ihn ein paar Mal mit Wolf zusammen gesehen, aber kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Er machte auf mich keinen besonders sympathischen Eindruck, hatte so ein leicht schmieriges Äußeres. Als meinen Hausarzt hätte ich ihn sicher nicht gewählt.«
Das Diktaphon knackte und warf die Kassette aus. Thea drehte sie um, schaltete das Gerät wieder ein und verlegte sich auf ein anderes Thema.
»Herr Merkle, hat es Streit zwischen Wolf Hauser und Ihrer Tochter gegeben, ich meine abgesehen von den finanziellen Unstimmigkeiten?«
Merkle lächelte Thea an. »Das ist wirklich kein Geheimnis, Wolf und die Frauen, nicht wahr? Er war ein sehr attraktiver Mann. Ich war in jungen Jahren auch kein Kostverächter, aber in dieser Position muss man eine gewisse Diskretion wahren. Das hat Wolf nie verstanden. Als er jünger war, verführte er mehr Frauen, als ein Straßenköter Flöhe hat. Richtig peinlich wurde es, als die Mädchen anfingen, ihn in der Firma anzurufen. Natürlich bekam meine Tochter das mit.«
»Und was sagte sie dazu?«
»Lange Zeit nichts. Jedenfalls nicht mir gegenüber. Ich bin aber überzeugt, dass sie gekränkt war.«
»Wäre das nicht Grund genug für sie gewesen, ihn umzubringen, wenn auch im Affekt?«
Merkle
Weitere Kostenlose Bücher