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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Moment und suchte nach Worten. »Und dann ein Schrieken, gefolgt von einem langgezogenen, schmerzerfüllten Japsen, wie von einer Seele im Fegefeuer. Es war ein schrecklicher, schrecklicher Ton.«
    Dem konnte ich nur zustimmen.
    »Ich spürte, daß dieses Wesen mit mir in Verbindung treten wollte, aber nicht konnte«, sagte sie. »Oh, wenn Madame Iritosky bloß hier wäre! Sie würde die Geister zum Sprechen bringen, da bin ich sicher. Ich werde ihr noch heute morgen schreiben und sie bitten, zu kommen, obwohl ich befürchte, daß es sinnlos ist. Sie sagt, sie kann nur in ihren eigenen vier Wänden arbeiten.«
    Mit ihren Falltüren und verborgenen Drähten und geheimen Verbindungsgängen, dachte ich. Wahrscheinlich mußte ich dankbar dafür sein. Wenigstens konnte sie so nicht kommen und verraten, daß ich Cyril Unterschlupf gewährte.
    »Wenn sie hätte hören könnte, wie angstvoll der Geist rief, würde sie sicher kommen«, sagte Mrs. Mering. »Baine, ist Mr. St. Trewes schon heruntergekommen?«
    »Ich glaube, er kommt gerade«, sagte Baine. »Er hat den Hund ausgeführt.«
    Zu spät zum Frühstück und dann den Hund ausgeführt! Zwei Minuspunkte, obwohl Mrs. Mering, als Terence ohne Cyril eintrat, nicht so abweisend schaute, wie ich angenommen hatte.
    »Hallo«, sagte Terence. »Tut mir leid, daß ich mich verspätet habe.«
    »Das ist nicht weiter schlimm«, sagte Mrs. Mering und strahlte ihn an. »Setzen Sie sich doch, Mr. St. Trewes. Möchten Sie Tee oder Kaffee?«
    »Kaffee«, erwiderte Terence und lächelte Tossie an.
    »Baine, bringen Sie Kaffee für Mr. St. Trewes.«
    »Wir freuen uns alle so, daß Sie gekommen sind. Ich hoffe, Sie und Ihre Freunde können so lange bleiben, daß Sie unser Kirchfest miterleben. Es wird ein Riesenspaß werden mit Büchsenwerfen und einer Wahrsagerin, und Tocelyn wird einen Kuchen für die Tombola backen. Sie ist eine ausgezeichnete Köchin, unsere Tocelyn, und so gebildet. Sie spielt Klavier, müssen Sie wissen, und spricht Deutsch und Französisch. Nicht wahr, Tocelyn?«
    »Oui, Mama«, sagte Tossie und lächelte Terence an.
    Ich schaute fragend zu Verity. Sie zuckte die Achseln, als wollte sie sagen »Keine Ahnung«.
    »Professor Peddick, ich hoffe, Sie können Ihre Schüler für ein paar Tage entbehren«, fuhr Mrs. Mering fort. »Und Mr. Henry – bitte, sagen Sie, daß Sie uns bei der Schatzsuche helfen werden.«
    »Mr. Henry hat mir erzählt, daß er eine Zeitlang in den Staaten war«, sagte Verity, und ich wandte mich erstaunt zu ihr um.
    »Wirklich?« sagte Terence. »Das hast du mir gar nicht erzählt.«
    »Es… es war während meiner Krankheit«, sagte ich. »Ich… Man schickte mich in die Staaten… zur Behandlung.«
    »Haben Sie Rothäute gesehen?« fragte Tossie.
    »Ich war in Boston«, stammelte ich, Verity insgeheim verfluchend.
    »Boston!« rief Mrs. Mering. »Kennen Sie die Schwestern Fox?«
    »Die Schwestern Fox?«
    »Margaret und Kate Fox. Die Begründerinnen unserer spiritistischen Bewegung. Sie waren die ersten, bei denen sich die Geister durch Klopfzeichen meldeten.«
    »Leider hatte ich nicht das Vergnügen«, erwiderte ich, aber Mrs. Mering hatte ihre Aufmerksamkeit bereits wieder Terence zugewandt.
    »Tocelyn kann wunderbar sticken, Mr. St. Trewes«, sagte sie. »Sie müssen sich unbedingt die hübschen Kissenbezüge anschauen, die sie für unseren Galanteriewarentisch genäht hat.«
    »Ich bin sicher, daß die Person, die sie ersteht, die lieblichsten Träume haben wird«, sagte Terence und lächelte Tossie schwachsinnig an. »›Ein Traum unendlich wonnevoll, zu schön, um lange zu besteh’n‹…« [53]
    Der Colonel und der Professor, immer noch mit Nelson bei Trafalgar beschäftigt, schoben ihre Stühle zurück, erhoben sich und murmelten nacheinander: »Wenn Sie gestatten…«
    »Mesiel, wo willst du hin?« fragte Mrs. Mering.
    »Hinaus zum Fischteich«, erwiderte der Colonel. »Professor Peddick meinen perlmuttfarbenen Ryunkin zeigen.«
    »Dann zieh die Wetterjacke an«, sagte Mrs. Mering. »Und deinen Wollschal.« Sie wandte sich mir zu. »Mein Mann ist empfindlich auf der Brust und bekommt leicht Katarrh.«
    Wie Cyril, dachte ich.
    »Baine, holen Sie Colonel Merings Wetterjacke«, sagte Mrs. Mering, aber die beiden waren schon verschwunden. Sofort richtete Mrs. Mering ihr Augenmerk wieder auf Terence. »Wo lebt denn Ihre Familie, Mr. St. Trewes?«
    »In Kent«, sagte er. »Ein Fleckchen Erde, das ich bis jetzt für das schönste der Welt

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