Die Farben der Zeit
können!«
Sie häufte ihren Teller mit Bückling, Wild und Wolf voll, setzte sich und riß mit Schwung ihre Serviette vom Tisch auf ihren Schoß. »Mr. Arbitage hat das Restaurierungsprojekt ins Leben gerufen, wissen Sie. Bis er kam, war unser alter Vikar nicht einmal bereit, sich etwas über Restaurierung anzuhören. Ich fürchte, er ist ein bißchen hinter der Zeit zurück. Er weigert sich sogar, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, daß man mit den Geistern in Verbindung treten könne.«
Kluger Mann, dachte ich.
»Mr. Arbitage ist dem Gedanken des Spiritismus sehr zugetan. Er liebt es geradezu, mit unseren lieben Verstorbenen von der Anderen Seite zu sprechen. Glauben Sie, daß ein solcher Kontakt möglich ist, Mr. Henry?«
»Mr. Henry hat mich nach dem Kirchfest gefragt, Tante«, sagte Verity. »Ich wollte ihm gerade von Ihrer klugen Idee mit dem Gerümpel erzählen.«
»Oh!« Mrs. Mering schaute geschmeichelt. »Waren Sie schon einmal auf einem Kirchfest, Mr. Henry?«
»Ein paarmal«, sagte ich.
»Nun, dann wissen Sie ja, daß es dort jede Menge gestifteter Galanteriewaren gibt, Eingemachtes, Handarbeiten, alles mögliche. Ich dachte nun, wir könnten doch auch Sachen stiften, die wir nicht länger brauchen, alles mögliche, Teller und Bücher, Nippsachen, alles mögliche eben – ein richtiges Sammelsurium von Dingen!«
Ich starrte sie entsetzt an. Sie war die Person, mit der alles angefangen hatte, die Person, die für all die endlosen Basare mit dem unsäglichen Krimskrams verantwortlich zeichnete, in denen ich gesteckt hatte!
»Sie wären überrascht, Mr. Henry, wenn Sie wüßten, welche Schätze die Leute auf ihren Dachböden und in ihren Schuppen lagern, wo sie doch nur einstauben. Meine Güte, auf meinem eigenen Dachboden fand ich eine Teeurne und einen reizenden Sellerieteller. Baine, ist es Ihnen gelungen, die Dellen aus der Urne zu entfernen?«
»Ja, Madam«, sagte Baine und goß ihr Kaffee ein.
»Möchten Sie auch Kaffee, Mr. Henry?« fragte Mrs. Mering.
Ich war überrascht, wie freundlich sie zu mir war. Es mußte die Höflichkeit sein, von der Verity gesprochen hatte.
Tossie kam herein, Prinzessin Arjumand im Arm, um deren Hals eine große rosa Schleife gebunden war.
»Guten Morgen, Mama«, sagte sie, während ihre Augen die Runde nach Terence absuchten.
»Guten Morgen, Tocelyn«, sagte Mrs. Mering. »Hast du gut geschlafen?«
»O ja, Mama. Jetzt, wo meine süße Miezmiez wieder da ist.« Sie schnuckelte die Katze. »Hattu dich die ganze Nacht dicht an mich gekuschelt, Juju? Hattu das?«
»Tossie!« sagte Mrs. Mering scharf. Tossie zog eine Schnute.
Wahrscheinlich hat sie die Etikette übertreten, dachte ich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, womit. Ich würde Verity nachher fragen müssen.
Colonel Mering und Professor Peddick kamen herein, angeregt in ein Gespräch über die Schlacht von Trafalgar vertieft. »Mit siebenundzwanzig zu dreiunddreißig im Nachteil«, sagte der Colonel gerade.
»Ganz meine Rede«, sagte Professor Peddick. »Wäre Nelson nicht gewesen, hätten sie die Schlacht verloren. Charakter bestimmt die Geschichte, nicht blinder Zufall! Individuelle Initiative!«
»Guten Morgen, Papa«, sagte Tossie und stand auf, um ihren Vater auf die Wange zu küssen.
»Guten Morgen, Tochter.« Er warf einen scharfen Blick auf Prinzessin Arjumand. »Gehört nicht hierher.«
»Aber sie hat Furchtbares mitgemacht«, sagte Tossie und trug die Katze zur Anrichte. »Schau mal, Prinzessin Arjumand, Bücklinge«, sagte sie, legte einen Hering auf den Teller, setzte ihn und Prinzessin Arjumand auf den Boden und lächelte Baine herausfordernd an.
»Guten Morgen, Mesiel«, sagte Mrs. Mering zu ihrem Ehemann. »Hast du gut geschlafen?«
»Ging so«, sagte er und lugte unter den Wolf. »Und du, Malvinia? Gut geschlafen, meine Liebe?«
Das war offenbar das Stichwort, auf welches Mrs. Mering gewartet hatte. »Im Gegenteil«, sagte sie und hielt dramatisch inne. »Es waren Geister in diesem Hause. Ich hörte sie.«
Ich wußte, daß ich Verity nicht hätte trauen sollen. »Diese Häuser haben dicke Wände. Man hört nichts.« Von wegen!
»Oh, Mama!« sagte Tossie aufgeregt. »Wie hörten sich die Geister an?«
Mrs. Merings Blick wurde abwesend. »Es war ein seltsames, unwirkliches Geräusch, das unmöglich von einem irdischen Wesen stammen kann. Eine Art schluchzendes Stöhnen wie Ausatmen, obwohl natürlich die Geister nicht atmen und dann…« Sie überlegte einen
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