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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Fächer herein. »Was…?«
    »Sie ist wieder ohnmächtig geworden«, erklärte ich. »Tossie holt gerade das Riechsalz.«
    Tossie eilte ins Abteil, gefolgt von Baine.
    »Wo ist Jane?« Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. »Haben Sie das Riechsalz mitgebracht?«
    »Ich habe Baine mitgebracht«, erwiderte sie, die Wangen von der Hetzerei puterrot.
    Baine nahm die Sache sofort in die Hand, kniete sich vor Mrs. Mering und nahm ihr den Hut vom Kopf. Dann öffnete er ihren Kragen. »Mr. St. Trewes, machen Sie bitte das Fenster auf. Mr. Henry, wenn Sie mir etwas Platz machen würden…«
    »Vorsichtig«, sagte ich und ließ Mrs. Merings Arm los. »Sie hat die Tendenz nach Steuerbord zu kippen«, aber er hielt sie bereits bei den Schultern. Ich trat zurück, an Veritys Seite, immer noch die gefaltete Zeitung in der Hand.
    »Und jetzt«, sagte Baine und drückte Mrs. Merings Kopf zwischen ihre Knie.
    »Baine!« sagte Tossie.
    »Oh!« Mrs. Mering versuchte sich aufzurichten.
    »Atmen Sie tief durch«, sagte Baine, die Hand fest auf Mrs. Merings Nacken. »So ist’s gut. Tief durchatmen.« Dann ließ er sie sich aufsetzen.
    »Was…?« fragte sie verstört.
    Baine zauberte ein Brandyfläschchen aus seiner Jackentasche sowie eine kleine Porzellantasse. »Trinken Sie das«, befahl er und legte Mrs. Merings behandschuhte Hand darum. »Ja, so. Gut.«
    »Geht’s dir besser, Mama?« fragte Tossie. »Weshalb bist du ohnmächtig geworden?«
    Mrs. Mering nahm einen zweiten Schluck Brandy. »Ich weiß nicht…« sagte sie. »Was immer es auch war, jetzt geht es mir besser.« Sie reichte Baine die Teetasse. »Wie lange dauert es noch bis Muchings End?«
    »Was ist passiert?« fragte Verity, die dicht neben mir stand.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Terence las gerade die Zeitung«, sagte ich und hielt sie zur Illustration hoch, »und Mrs. Mering…« Ich hielt inne, starrte, genau wie Macbeth.
    Es stand unten auf der Seite, genau unter einem Artikel über den Bootsstau auf der Themse.
    »BALLIOL-PROFESSOR ERTRUNKEN« stand da und darunter, in kleinerer Schrift, aber immer lesbar, denn es war die Oxford Chronicle und nicht die Times:
    »GESCHICHTSPROFESSOR MATTHEW PEDDICK TÖDLICH IM FLUSS VERUNGLÜCKT!«

»Der Fluch hat mich ereilt«, rief das Fräulein von Shalott.
    Alfred, Lord Tennyson
     
21. Kapitel
     
     
    Erklärungen und Gegenvorwürfe • Noch eine Vorahnung • Unsere Leibhaftigkeit wird in Zweifel gezogen • Ein Unwetter… • Das Rätsel der Telegramme ist gelöst • Ein ruhiger Abend zu Hause • Eine Ankunft • Spitznamen aus Kindertagen • Wohltätigkeitsbasare werden Tradition • Verfall und Untergang
     
     
    Vorwürfe und Gegenvorwürfe dominierten den Rest der Reise. »Hast du nicht gesagt, er hätte seiner Schwester ein Telegramm geschickt?« fragte Terence.
    »Das nahm ich an«, sagte ich. »Ich fragte ihn: ›Haben Sie Ihre Telegramme abgeschickt?‹ und er antwortete ›Ja‹ und hielt mir die gelben Empfangsbestätigungen unter die Nase.«
    »Wahrscheinlich hat er vergessen, die Telegramme zu bezahlen oder so was Ähnliches. Die Beerdigung ist morgen früh um zehn.«
    »Madame Iritosky versuchte mich zu warnen«, sagte Mrs. Mering, drei Kissen und eine zusammengefaltete Decke im Rücken, die Baine ihr eiligst geholt hatte. »›Hüten Sie sich vor Wasser‹, sagte sie. Sie wollte mir sagen, daß Professor Peddick ertrunken ist!«
    »Aber er ist nicht ertrunken«, sagte ich. »Es ist alles ein Mißverständnis. Er fiel in den Fluß, und Terence und ich fischten ihn heraus. Wahrscheinlich hat Professor Overforce gedacht, er sei ertrunken, als er ihn nicht mehr fand.«
    »Fiel in den Fluß?« fragte Mrs. Mering. »Ich dachte, Ihr Boot wäre gekentert.«
    »Tat es auch«, erwiderte Terence. »Aber das war am Tag danach. Wir hörten einen Platscher, und ich dachte, es sei Darwin, weil am Ufer eine Reihe Bäume stand, aber er war’s nicht. Professor Peddick war’s, und es war pures Glück, daß wir gerade in dem Moment vorbeikamen, um ihn zu retten, sonst wäre es aus mit ihm gewesen. Er ging schon zum dritten Mal unter, und es war verdammt schwer…«
    »Mr. St. Trewes!« unterbrach ihn Mrs. Mering, offensichtlich wiederhergestellt. »Es sind Damen anwesend!«
    Terence schaute verärgert. »Oh, Verzeihung. In der Aufregung des Erzählens…«
    Mrs. Mering nickte gnädig. »Professor Peddick fiel in den Fluß, sagten Sie?«
    »Nun, eigentlich… Also, Professor Overforce und er stritten sich gerade

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