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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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schrecklich modernen Mädchen in Knickerbockers, ein Blaustrumpf halt. Er sagte mir, ich würde sie mögen. Mögen!«
    »Maud!« Endlich dämmerte es mir. »Du hast Professor Peddicks Nichte Maud getroffen!«
    »Da stand sie, auf dem Bahnsteig in Oxford. ›Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht! Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht!‹« [80]
    »Der Bahnsteig«, sagte ich nachdenklich. »Du hast sie auf dem Bahnsteig in Oxford getroffen. Das ist doch wunderbar!«
    »Wunderbar!« fragte er erbittert. »›Zu spät begann ich dich zu lieben, o Schönheit, ewig alt und immer jung!‹ [81] Ich bin mit Miss Mering verlobt.«
    »Aber kannst du die Verlobung nicht lösen? Miss Mering wird dich bestimmt nicht heiraten wollen, wenn sie weiß, daß du Maud Peddick liebst.«
    »Ich bin nicht frei, irgend jemanden anderen zu lieben. Ich habe meine Liebe an Miss Mering gebunden, als ich ihr mein Wort gab, und Miss Peddick wird eine Liebe ohne Ehre nicht wollen, eine Liebe, die ich bereits einer anderen versprochen habe. Oh, wenn ich doch bloß Miss Peddick an jenem Tag in Oxford getroffen hätte, wie anders wäre…«
    »Mr. Henry, Sorrr!« Jane kam auf uns zugeeilt, das Häubchen verrutscht, daß sich ihre roten Haare lösten. »Haben Sie Colonel Mering gesehen?«
    O nein, dachte ich. Verity ist auf ihrem Weg die Treppe hoch Mrs. Mering in die Arme gelaufen. »Was ist passiert?« fragte ich.
    »Ich muß zuerst Colonel Mering finden«, sagte Jane. »Er hat gesagt, ich soll es dem Colonel zuerst geben, beim Frühstück, aber er war nicht dort, und die Post ist da und alles…«
    »Ich sah den Colonel zum Fischteich gehen«, sagte ich. »Ihm was geben? Was ist geschehen?«
    »O Sorrr, Mr. Henry. Sie beide gehen am besten ins Haus«, erwiderte Jane gequält. »Sie sind im Wohnzimmer.«
    »Wer? Ist Verity da? Was ist geschehen?« fragte ich wieder, aber sie hatte bereits mit wehenden Röcken zu einem Spurt zum Fischteich angesetzt.
    »Terence!« sagte ich eindringlich. »Welcher Tag ist heute?«
    »Ist das noch wichtig?« fragte Terence. »›Morgen und morgen und dann wieder morgen, kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag, und alle unsre Gestern führten Narr’n den Pfad des stäub’gen Todes!‹ [82] Narren!«
    »Es ist wichtig!« Ich zerrte ihn auf die Füße hoch. »Das Datum, Menschenskind!«
    »Montag«, antwortete er. »Der achtzehnte Juni.«
    O Gott, wir waren drei Tage fort gewesen! Ich rannte zum Haus, Cyril mir dicht hinterdrein.
    »›Der Fluch hat uns ereilt‹«, zitierte Terence, »›rief das Fräulein von Shalott.‹«
    Ich hörte Mrs. Merings Stimme schon, bevor wir an der Eingangstür waren. »Dein Verhalten ist wirklich unentschuldbar, Verity. Ich hätte nie gedacht, daß die Tochter meiner Cousine so selbstsüchtig und gedankenlos handeln würde.«
    Sie wußte, daß wir drei Tage fort gewesen waren und die arme Verity nicht! Ich schlitterte den Korridor entlang auf das Wohnzimmer zu, Cyril mir direkt auf den Fersen. Ich mußte Verity informieren, ehe sie den Mund aufmachte.
    »Die ganze Krankenpflege mußte ich allein übernehmen!« sagte Mrs. Mering. »Ich bin vollkommen erschöpft. Drei Tage und Nächte in diesem Krankenzimmer und nicht eine einzige Minute zum Ausruhen.«
    Meine Hand lag auf dem Türknauf, doch ich hielt inne. Drei Tage und drei Nächte in einem Krankenzimmer? Dann wußte sie vielleicht gar nichts, sondern schimpfte nur mit Verity, weil sie ihr nicht geholfen hatte? Doch wer war krank? Tossie? In jener Nacht, als wir von Coventry heimkamen, hatte sie bleich und fahl ausgesehen.
    Ich preßte das Ohr an die Tür und horchte in der Hoffnung, daß das Lauschen diesmal ergebnisreicher sein würde als üblich.
    »Du hättest wenigstens anbieten können, für ein paar Minuten bei dem Patienten zu bleiben«, sagte Mrs. Mering.
    »Es tut mir so leid, Tante«, erwiderte Verity. »Ich dachte, Sie hätten Angst vor Infektionen.«
    Warum bloß konnten die Leute nie sagen, über wen oder was sie sprachen und damit dem Lauscher eine Chance geben? Patient? Infektionen? Nicht sehr aufschlußreich.
    »Außerdem dachte ich, er würde darauf bestehen, daß Sie, Tante Malvinia, und Tossie ihn pflegen«, sagte Verity.
    Ihn? War Mr. C aufgetaucht und schlagartig erkrankt? Und hatte er sich sofort in seine Pflegerin Tossie verliebt?
    »Ich würde Tossie nie im Traum erlauben, das Krankenzimmer zu betreten«, sagte Mrs. Mering. »Sie ist ein so zartes Mädchen.«
    Ich sah, wie Terence am

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