Die Farben des Chaos
ich in letzter Zeit viel zu oft ihr gutes Essen verschmäht hätte.« Layel überließ Leyladin den Vortritt, als sie ins Esszimmer gingen.
»Was gibt es überhaupt?«, fragte die rotblonde Frau, als sie den kleinen Raum betreten hatten.
Nein, so klein war der Raum eigentlich nicht, dachte Cerryl. Klein wirkte er höchstens im Vergleich zum Hauptraum. Der Tisch, an dem gut zwanzig Personen hätten sitzen können, war für drei Gäste gedeckt. Die Stühle waren aus weißer, mit Gold verzierter Eiche gezimmert und mit dem gleichen dunkelgrünen Samt wie die anderen Polstermöbel bezogen. Zierliches weißes Porzellan stand auf hellgrünen Leinendeckchen, passende Mundtücher aus Leinen lagen neben dem Geschirr und dem Silberbesteck bereit. Langstielige Kristallgläser waren offenbar für Wein gedacht.
»Dein Lieblingsessen«, sagte Layel. »Rinderbraten mit Orangen und Birnapfelnudeln.«
Rinderbraten mit Orangen? Birnapfelnudeln? Birnäpfel hatte Cerryl in seiner Jugend nur selten zu sehen bekommen. Es war jedes Mal ein Ereignis gewesen, wenn Onkel Syodor oder Tante Nall ihm einen geschenkt hatten. Und jetzt sollte Cerryl Nudeln bekommen, die aus Birnäpfeln hergestellt waren – als seien sie so alltäglich wie Mehl!
»Ich habe einen Weißwein aus Linspros geöffnet.« Layel sah seine Tochter an. »Ich brauchte einen Vorwand, um einen so guten Wein anzubrechen. Ich kann ihn ja schlecht allein trinken.«
Der Kaufmann setzte sich ans Kopfende des Tischs, Cerryl und Leyladin nahmen einander gegenüber zu seiner Seite Platz. Kaum hatten die drei sich gesetzt, da tauchte schon eine grauhaarige Frau auf, die mit der gleichen blauen Hausjacke bekleidet war wie Soaris, und servierte zwei große Platten aus dem gleichen feinen Porzellan wie die Teller. Sie eilte sogleich wieder hinaus, um die Beilagen zu holen.
Cerryl bestaunte das Essen mit großen Augen. Dünne Scheiben Rinderbraten wechselten sich mit Orangenscheiben ab, grüner Salat war mit einer Orangensoße übergossen. Weiße Nudeln gab es, lange grüne Bohnen mit Nüssen, Butter und dazu dunkles Brot.
Layel nahm sich Brot und Nudeln. Als er fertig war, forderte Leyladin Cerryl mit einem Nicken auf. »Bitte, bedien dich.«
»Wäre nicht die Weiße Kleidung, man würde Euch kaum für einen Magier halten«, erklärte Layel. Er nahm die große Flasche und schenkte ihnen nacheinander vom Weißwein ein.
Wein aus einer Glasflasche – auch das war ein Luxus, von dem Cerryl gehört, den er aber noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. »Ich weiß. Ich sehe eher aus wie ein Schreiber. Und das war ich tatsächlich einmal: ein Schreiberlehrling.«
»Ach, davon verstehe ich leider nichts«, gab Layel lachend zurück. »Bücher kann man nicht billig kaufen, also kaufe ich sie nicht. Das bedeutet, dass ich natürlich auch keine Bücher verkaufe. Ganz zu schweigen vom Zeitaufwand, sie zu lesen.« Er hob sein Kristallglas. »Auf Freunde, Töchter und Gefährten.«
Auch Cerryl hob sein Glas, trank aber nur einen winzigen Schluck. Der perlende, frisch schmeckende Wein war stärker, als man auf den ersten Blick vermutete, und viel besser als alles, was er je getrunken hatte.
»Ah … der ist besser, als ich ihn in Erinnerung habe«, sagte Layel.
»Er ist wirklich gut.« Leyladin nahm den Teller mit dem dampfenden dunklen Brot und bot es ihrem Vater an. Layel brach sich ein Stück ab, dann war Cerryl an der Reihe.
Layel lächelte, als warte er darauf, dass Cerryl eine Bemerkung machte.
»Es ist … es ist hier ganz anders als in den Hallen«, sagte Cerryl langsam. »Wir bekommen nicht viel von der Außenwelt zu sehen … ich jedenfalls nicht. Auch bevor ich nach Fairhaven kam, habe ich nicht viel gesehen.« Er hielt inne. »Es gibt etliche Dinge, über die ich etwas gelesen habe, aber … Leyladin hat mir erzählt, dass Ihr ein Kaufmann seid, doch vom Handel verstehe ich nur wenig. Mit welchen Waren handelt Ihr?«
»Mit allem, was sich verkaufen lässt, junger Magier. Man handelt mit Getreide, und wenn die Ernte schlecht ist, verliert man alles. Man handelt mit Kupfer, und wenn jemand ein Bergwerk öffnet oder schließt, verliert man Geld. Ich handele mit allem, was ich billig einkaufen und teuer verkaufen kann.« Layel füllte sein Kristallglas nach, dann schenkte er Leyladin ein. Er warf einen fragenden Blick zu Cerryls Glas, das noch zu drei Vierteln gefüllt war. »Ihr habt nicht viel getrunken.«
»Ich komme mit einem Glas Wein lange aus, aber er ist wirklich gut,
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