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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Kinowin nicht gegenübertreten müssen, wenn ich für so etwas verantwortlich wäre.«
    »Ich auch nicht«, stimmte Leyladin lachend zu. »Vielleicht … vielleicht ist es jetzt Zeit, dass du gehst?«
    »Nun scheuche ihn doch nicht hinaus.«
    »Er muss früh aufstehen, Vater.«
    Cerryl hob eine Hand. »Eure Tochter hat ganz sicher Recht. Ich habe das Essen und Eure Gesellschaft sehr genossen … aber ich muss schon vor dem Morgengrauen aufstehen.«
    Leyladin erhob sich und Cerryl folgte ihrem Beispiel, verabschiedete sich und ließ sich von ihr zur Tür begleiten. Sogar in unbenutzten Zimmern brannten Lampen und warfen Schatten auf den polierten, glänzenden Boden.
    Im Flur zog er seine Jacke an. Jetzt stand ihm noch ein kalter, glücklicherweise aber nur kurzer Spaziergang zu seinem öden Zimmer bevor – zu einem Zimmer, das ihm luxuriös vorgekommen war, bis er Leyladins Haus gesehen hatte.
    »Was denkst du?«, fragte Leyladin, als sie vor der Tür standen.
    »Was meinst du? Was ich von deinem Vater halte? Du bist ihm sehr wichtig.«
    »Cerryl. Du bist so begriffsstutzig wie das Maultier, das Vater erwähnt hat.« Aber sie lächelte, während sie sprach, und sah ihn aus grünen Augen, die im trüben Licht der Bronzelampen dunkler wirkten als sonst, scharf an.
    Er holte tief Luft. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich könnte freundliche Dinge sagen und jedem anderen außer dir würde ich sie sagen. Im Augenblick aber bin ich … ich bin überwältigt. Ich bin als Waisenkind in einem Haus aufgewachsen, in dem es nicht mehr als zwei Zimmer gab. Es war sauber, aber meine Matratze lag auf dem Steinboden und mein Onkel war schon froh, wenn er alle paar Achttage mal ein gutes Stück Malachit ausgraben und für ein Silberstück verkaufen konnte. Ich bin kurz nach meinem zehnten Geburtstag zur Arbeit in die Mühle gegangen und konnte von Glück reden, wenn ich einmal oder zweimal im Jahr einen Birnapfel bekommen habe. Die Nudeln heute Abend – sie waren wundervoll, aber wahrscheinlich waren mehr Birnapfel darin, als ich bisher in meinem Leben überhaupt gegessen habe. Und so guten Wein und noch dazu aus einer Flasche habe ich noch nie getrunken.«
    »Cerryl … das weiß ich doch. Ich wusste es von Anfang an, aber ich wollte dir nicht vormachen, ich wäre etwas anderes als ich bin.« Sie beugte sich vor und berührte seine Wange. »Bei dir … ich wollte mich nicht verstellen.«
    »Das bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst.« Er lächelte sie an.
    »Ich glaube, das weiß ich.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht und bis bald.«
    Als er durch die nächtliche Stadt lief, durch die kalten Böen und das leichte Schneetreiben, meldeten sich die fast vergessenen Kopfschmerzen wieder, während seine Gedanken unruhig umeinander tanzten wie die Schneeflocken. Was sollte jetzt werden? Was würde geschehen? Jeslek, Sterol und Anya hatten ihn gewarnt, sich mit einer Schwarzen einzulassen. Leyladin war eine Heilerin und voller Schwarzer Energie, während er selbst ein Weißer Magier war – oder höchstens ein Weißer Magier mit einem leichten Graustich. Er unterdrückte einen Schauder, als er daran dachte. Graue Magier mochte niemand, weder die Weißen Magier in Fairhaven noch die Schwarzen Ordnungs-Magier in Recluce.
    Er und Leyladin konnten sich bei den Händen halten … aber wie viel mehr war noch möglich? Machte sie sich deshalb Sorgen? Hielt sie sich deshalb zurück?
    Stirnrunzelnd wanderte er weiter. Ihr Kuss war warm gewesen, aber es war nicht die Wärme gewesen, die aus einem Widerstreit zwischen Ordnung und Chaos entstand.

 
V
     
    C erryl streckte sich auf der kleinen Plattform der Wachstube in der Sonne. Er war froh, dass der Frühling wieder Einzug hielt. Sogar die Hügel in der Feme hatten sich inzwischen grün gefärbt.
    Er setzte sich auf den Stuhl, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte. So saß er gerade hoch genug, um über die aus Granitblöcken gemauerte Brustwehr hinweg Ausschau zu halten. Doch im Augenblick konzentrierte er sich nur auf die Chaos-Energie der Sonne und versuchte, einen dünnen Faden aus reinem Chaos zu erzeugen … etwas wie eine Lichtlanze, aber nicht dicker als ein Zeigefinger.
    Ein leises Zischen war zu hören und eine dünne Linie aus goldenem Feuer brannte sich in den Granit der Brustwehr und bohrte ein Loch in den harten Stein. Weißer Staub wehte aus dem Loch auf den Boden.
    Cerryl ließ den Lichtdolch zusammenbrechen – oder was es auch war –

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