Die Farben des Chaos
ohne den Arm ganz auszustrecken.
Er atmete tief durch, schlich an den Balken des offenen inneren Tors entlang und folgte dann fünfzig Ellen weit der Innenseite der Außenmauer, bis er zwischen zwei Steinsäulen, die das Tor oder den Bogengang stützten, eine Nische fand.
Dort ließ er sich zu Boden sinken und blieb eine Weile einfach sitzen, unsichtbar hinter den Lichtschilden und ohne etwas zu sehen. Er fragte sich, was wirklich hinter seinem Auftrag steckte. Reichte es denn nicht als Warnung aus, einen Turm zu zerstören und einige Menschen zu töten?
Er holte tief Luft.
LXIII
T eilweise von den Stützpfeilern des Tors geschützt, stand Cerryl endlich wieder auf. Er zuckte zusammen, als seine geschundenen Muskeln schmerzten. Hoffentlich konnte er den Fürsten Ferobar rasch finden.
Rufe gingen zwischen den Lanzenreitern und den Bewaffneten an den Toren hin und her. Die Männer hatten sich zu kleinen Gruppen zusammengefunden, als warteten sie auf neue Befehle.
»Weiße Bastarde … alle umbringen!«
»… Weißen Magiern besser aus dem Weg.«
»… können uns doch nicht vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen …«
»Sie haben es gerade getan, Muyt, und ich würde wetten, dass von unserer Seite nichts passiert.«
Cerryl lächelte grimmig. Genau das hoffte Jeslek offenbar, aber Cerryl glaube nicht, dass die Drohung lange wirken würde. In Fairhaven wurden Verbrecher zum Straßenbau geschickt oder zu Asche verbrannt. Am nächsten Tag oder einen Achttag später waren neue Verbrecher da – bei weitem nicht so viele wie anderswo, aber sie waren da. Und er glaubte nicht, dass die Menschen in Hydlen anders waren.
Er ging die Hauptstraße hinunter, die alt war und nach Abwässern roch. Sie war schmaler als die Straßen in Jellico oder Fenard. Die oberen Stockwerke vieler Häuser ragten eine Elle weiter in die Straße hinein als die Grundmauern, so dass unten eine etwas düstere Atmosphäre herrschte. Die meisten Mauern bestanden offenbar aus Holzplanken oder geflochtenen Zweigen, die man verputzt und gestrichen hatte. Doch die Farbe war längst verblichen und blätterte ab.
»Gewürze … gute Gewürze für schlechtes Fleisch …«
»Öle … hier gibt es Öle …« Eine weißhaarige Frau schwang einen alten, fleckigen Weidenkorb.
Cerryl zuckte zusammen. Bei so einer Verkäuferin würde er ganz sicher nichts erwerben.
Ein kleiner brauner Hund schoss aus einer Gasse und verschwand hinter einem buckligen Straßenhändler. Hinter dem Händler standen zwei Frauen auf der kleinen Plattform vor einem Laden, dessen Zweck Cerryl nicht erkennen konnte.
»Deris! Die Weißen haben den Ostturm zerstört. Gurold hat es mir gesagt. Und dann sind sie einfach weggeritten. Sie hatten wohl eine Botschaft für den neuen Fürsten.«
»Du glaubst nicht, wie egal mir das ist. Der wievielte ist es? Der dritte Fürst seit dem Winter? Das Brot ist immer noch zu teuer und es wird auch teuer bleiben.«
»Es wird sogar noch teurer werden, wenn der Fürst uns Steuern auferlegt, damit er den schönen Turm wieder aufbauen kann.«
Cerryl schlich an den Frauen und dem Laden vorbei und dachte stirnrunzelnd über die Worte nach. Das Stimmengewirr, die Gerüche und die bedrückende Straße bereiteten ihm Kopfschmerzen und die Unterhaltung der Frauen konnte sein unangenehmes Gefühl nicht lindern. Er war sowieso schon müde, nachdem er den ganzen Tag geritten war.
Eine Straßenkreuzung weiter, wo die Straße etwas breiter wurde, schaute ein kleiner Junge auf. Er riss die Augen auf und konnte den Magier offensichtlich sehen. Er rannte eine Gasse hinunter zu seiner Mutter.
»Mama … Mama … ein Dämon … ich habe einen Dämon gesehen …«
So anstrengend es auch war, Cerryl zog die vollen Lichtschilde hoch. Sich nur auf die Ordnungs- und Chaos-Sinne verlassend, schaffte er es gerade noch, nicht in den offenen Abwasserkanal zu treten. Beinahe wäre er mit einem Straßenhändler zusammengestoßen, der hierhin und dorthin sah, ehe er mit lauten Rufen seine Waren anpries. Cerryl hoffte, dass er so nicht mehr allzu weit zu laufen hatte.
»Gerösteter Mais … gerösteter Mais …«
Die Frau kam, das Kind fest an der Hand haltend, zur Hauptstraße. »Es gibt keine Dämonen, Kuriat. Wir haben hier in Hydlen keine Dämonen, mein Lieber.«
Cerryl ging noch eine Straße weiter, bis er den einfachen Blendschirm einsetzen konnte, der nicht so ermüdend war. Er wünschte, er hätte die Stadt schon vorher betreten und Leyladin holen
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